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Pforzheimer Feuerwehr-Sturmgalopp

Im Jahre 1861 wurde die Eisenbahnstrecke Pforzheim-Wilferdingen mit großen Feierlichkeiten eröffnet. Großherzog Friedrich I. (1826-1908) kam, es wurde zwei Tage gefeiert, gesungen, musiziert, und ein Volksfest fand auf dem Rennfeld statt.

Eine musikalische Festgabe zur feierlichen Eröffnung der Eisenbahn bestand aus drei Tänzen; 1. Lieder von der Enz, 2. Pforzheimer Cäcilienvereins Mazurka und eben der Pforzheimer Feuerwehr Sturmgalopp (Stadtarchiv Pforzheim, Bestand S 5, Nr. 1273). Eine künstlerische Einordnung maßen wir uns hier nicht an. Der Komponist des Pforzheimer Feuerwehr Sturmgalopp ist nicht bekannt. Gesangvereine trugen auch Lieder in  der Güterhalle vor, gedichtet von A. v. Brancas und komponiert von Musikdirektor [Ludwig Albrecht] Schmitz; vielleicht stammen auch diese drei Tänze aus seiner Feder.

Wer den Sturmgalopp vortrug, ist leider auch unbekannt. Eine Feuerwehrkapelle wurde laut Festbuch zum 50jährigen Jubiläum der Freiwilligen Feuerwehr Pforzheim im Jahre 1908 erst im Jahre 1870 auf Initiative von Wilhelm Berggötz jr. gegründet. Zuvor wurden die Feuerwehrmänner aber mit Hornsignalen benachrichtigt, und der Steindrucker Wilhelm Berggötz führte diese Hornistengruppe an. Praktischerweise wohnten alle Signalgeber wie Berggötz in der Nähe der Deimlingstraße und konnten – im telefonlosen Zeitalter – bei Ausbruch eines Feuers kräftig Alarm blasen. Diese Art der Alarmierung wurde bis ins Jahr 1900 so praktiziert. Die Varianten der Hornsignale sind zahlreich.

Die Stadt [-Feuerwehr] Kapelle hatte allerdings unter ihrem Leiter Eduard Ruscheweyh (1834-1917), der ab 1887 Musikdirektor der Feuerwehr war, einen weit über Pforzheim hinaus bekannten Ruf. Marschierte Wilhelm Berggötz noch mit sechs Hornisten durch Pforzheim, wuchs die Kapelle unter Ruscheweyh auf 52 Musiker und 28 Tamboure an.

Es ist daher anzunehmen, dass die Feuerwehr musikalisch nicht in der Lage war, den Sturmgalopp vorzutragen.

 

Die Tänze wurden zumindest mit viel Sorgfalt publiziert. Wilhelm Berggötz hatte eine Druckerei, die das achtseitige Werk auflegte. Man verwendete die romantische Ansicht „Pforzheim von Westen“ und fügte aus aktuellem Anlass einen Zug ein. Der Zug fährt von Westen (links) ein und ist ungefähr auf der Höhe des Bohnenberger Schlösschens. In der Bildmitte sind die Schlosskirche und das Rathaus abgebildet. Die Altstädter Kirche ist ebenfalls zu erkennen. Die Ansicht mit Zug war bisher unbekannt.

Die bildhafte Ausschmückung der Musikstücke bietet einen sehr romantischen und idyllischen Blick auf Pforzheim, und wenn der Chronist über die Eröffnung der Bahnlinie im Pforzheimer Beobachter vom 5. Juli 1861 spricht, so versetzt das den heutigen Leser fast ins Jahr 1861:

 

Tagesneuigkeiten Baden – Pforzheim 4. Juli.

Das gestrige Fest war – darüber herrscht nur eine Stimme – ein in allen seinen Teilen vollständig gelungenes, so dass es in Jedem, der demselben beiwohnte, die freudigsten und nachhaltigsten Eindrücke zurücklassen muss. War schon an den vorhergehenden Tagen mit Verzierung mancher Häuser begonnen worden, so stand am Festtag selber die ganze Stadt bald im schönsten Festschmuck da, und zeigten manche Gebäude reiche und geschmackvolle Dekorierung. Je näher der Augenblick heranrückte, in dem der Eröffnungszug erwartet wurde, desto dichter gestaltete sich das Menschengewühl in den Straßen namentlich derjenigen, die zum Bahnhof führten, und Tausende standen bei letzterem schon von 10 Uhr an erwartungsvoll da. Bald nachdem die Aufstellung der Feuerwehr, Turner, der Schuljugend etc. erfolgt war und die in die Festhalle Geladenen ihre Plätze eingenommen hatten, brauste nach 11 Uhr der beflaggte und mit Kränzen geschmückte Eisenbahnfestzug heran u. wurde mit tausendstimmigem Jubelruf, mit Musik und Böllerschüssen begrüßt. Von einer Deputation empfangen, trat hierauf Seine königliche Hoheit der Großherzog mit derselben und gefolgt von sämtlichen Festgästen, die der Eröffnungszug gebracht hatte, darunter die Mitglieder des Staatsministeriums und die Spitzen anderer Behörden, auf den Vorplatz der Güterhalle, um dem Sangesgruß und dem begeisterten Hochruf der Schuljugend – darunter etwa 250 weißgekleideter, mit rot-gelben Schärpen geschmückte Mädchen, während die Knaben Schleifen trugen und die Mützen, mit Eichenlaub bekränzt hatten, zu lauschen und durch dieses erste Festmoment die freundlichsten Eindrücke zu erhalten. [...]

Quellen:

Lacroix, Emil, Peter Hirschfeld und Wilhelm Paeseler: Die Kunstdenkmäler des Amtsbezirks Pforzheim Land. Karlsruhe 1938 (Die Kunstdenkmäler Badens, Bd. 9, Abt. 7).

Festschrift mit Festprogramm zur Feier des 100jährigen Bestehens der Freiwilligen Feuerwehr Pforzheim vom 30. Mai bis 2. Juni 1958. Pforzheim 1958 [S. 67-113: Trost, Oskar: Streifzüge durch die Geschichte der Stadt Pforzheim, insbesondere das Brandwesen in früheren Zeiten.].

Festbuch zum 50jährigen Jubiläum der freiwilligen Feuerwehr Pforzheim und der Hammer-Feuerwehr (Gebrüder Benckiser) 20., 21. und 22. Juni 1980, Pforzheim 1908.

Feuerlösch-Ordnung für die Stadt Pforzheim. Pforzheim 1862.

Schmidt, Ernst-Heinrich: Eduard Ruscheweyh. (Militär-)Kapellmeister in fünfzig Jahren. Baden-Baden, 2009.