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Auswanderung nach Amerika

Wanderungsbewegungen gab es - zumeist aus wirtschaftlichen, des öfteren aber auch aus religiösen Gründen - seit dem 17. Jahrhundert immer öfter in Europa. Im 19. Jahrhundert erleichterte die Auflösung des Feudalsystems die Mobilität der Menschen, und es wurde leichter, umzuziehen oder das Wagnis der Auswanderung auf sich zu nehmen. Die wenigsten Menschen aber übersiedelten aus freien Stücken in ein weit entferntes, unbekanntes Land. Meist trieb sie wirtschaftliche Not, in der Zeit des Pauperismus (1830-1850) bisweilen sogar regelrechter Hunger. Amerika war schon im 17. Jahrhundert das Ziel deutscher Auswanderer, im 19. Jahrhundert zogen in großen Wellen mehr und mehr Auswanderer nach Amerika. Oft waren diese Auswanderungswellen die direkte Folge von Not- und Hungerjahren infolge von Mißernten. Nicht nur hohe Steuern und Abgaben, sondern auch die Realteilung trieb die Menschen ins Ausland: Die Bauernhöfe wurden immer kleiner und erbrachten nicht mehr genug Ertrag, um eine Familie zu ernähren. Daneben gab es aber auch unfreiwillige Auswanderer, zum Beispiel Arme, die, von ihrer Gemeinde mit Reisegeld ausgestattet, den Weg ins Ausland antreten mussten, damit das Dorf oder die Stadt nicht länger für ihren Unterhalt aufzukommen brauchte. Manch einer versuchte, sich so auch das Reisegeld von der Gemeinde zu erschleichen, was unser Archivale des Monats zeigt.

Der Brief findet sich in unserem Bestand B1 in der Akte  Nr. 415 XXXVIII. Staatswesen. A. Staatangehörigkeit u. Auswanderung. Auswanderungswesen:

 Wohlöbliches Bürgermeister-Amt und Gemeinderath.

 Bitte des Robert Braun Bäcker um Unterstützung nach Amerika

Reisegeld  betreffend;

Es wird Wohldemselben bekannt sein, dass ich schon einigemahl wegen Diebstal bestraft worden bin, und die hiervon erwagsnen Kosten mich täglich verfolgen, obgleich ich vermögenslos bin, so habe ich zu gewärtigen dass mein zukünftiger Erwerb immerhin mit Beschlag bedrodt werden wird, oder ein kleines Vergeen mich mit Rückfall bedroht. – Um nun diesem auszuweichen so habe ich mich entschlossen, nach Amerika auszuwandern, da ich vermögenslos bin auch keines von meiner Mutter als arme Wittwe verlangen kann, so stelle ich die Bitte dahin; Wohllöbliches Bürgermeisteramt und Gemeinderath wollen meine traurige Lage berücksichtigen und mir das nötige Reisegeld verschaffen.

                                                                        Pforzheim, den 3ten März 1869

                                   Ergebenster Robert Braun

 Ich bitte um baldige Nachricht zu ertheilen.

 

Erfolg blieb Herrn Braun damit nicht beschieden, die Ablehnung seines Gesuchs erhielt er eine Woche später.

 

                                     Sitzung [des]

                        Gemeinderaths 11. März 69

                                    Beschluss

 Zu erwidern dass man d[em] Gesuch nicht entsprechen kann, vielmehr ihm fleißiges Arbeiten anempfehlen müsste.

                                                           Schmidt

 

Die Auswanderung nach Amerika bildet einen wichtigen Anteil am Thema  Migration vor 1945, dem wir uns im Stadtarchiv anhand einer kleinen Ausstellung im Lesesaal widmen.

Die Ausstellung ist Teil des in Pforzheim anstehenden interkulturellen Festivals, das vom 11. Mai bis zum 28. Juli 2012 hier in Pforzheim stattfinden wird.