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Lohn und Brot des Archivars

Im Juni 1922 verlieh der „Verein der städtischen Beamten“ dem ehemaligen Kollegen Alfons Kern eine Urkunde in Anerkennung seiner Rolle als „verdienstvoller Förderer und Pfleger Heimatlicher Kultur und Geschichte“.

Der gebürtiger Pforzheimer Kern war von 1891 bis 1905 Stadtbaumeister und Leiter des Hochbauamts. In seine Amtszeit fiel der Neubau des Rathauses von 1895, in dem erstmals ein eigener Raum für ein Archiv eingerichtet wurde. Kern selbst beschäftigte sich nebenberuflich intensiv mit der Pforzheimer Stadtgeschichte und setzte sich für die Einrichtung eines Archivs sowie eines Heimatmuseums ein.

1906 wurde der fleißige „Hobbyhistoriker“ Kern offiziell zum unbesoldeten Archivleiter ernannt. Erst neun Jahre später 1915 gewährte man ihm auch ein Gehalt für seine Tätigkeit als Archivar. Nimmt man die Besoldung als Maßstab (nicht deren Höhe!), so kann man also das Jahr 1915 als Geburtsstunde eines professionellen Archivwesens in Pforzheim bezeichnen.

Freilich entsprach die Arbeitsweise und Methodik des Autodidakten Kern nicht heute üblichen Standards. Schon 1959 kritisierte der Heimatforscher Oskar Trost die Arbeitsweise des früheren Stadtarchivars: „Kern pflegte alles, was ihm in den Sinn kam, in kurzen Notizen auf kleine Kalenderzettel … Hunderte und aber hunderte solcher Zettel wurden nach seinem Tode … gefunden, mit denen aber kaum etwas anzufangen war, da nur er selber wußte, was sie bedeuteten.“

Glücklicherweise ist die Ausbildung zum Archivar/zur Archivarin heutzutage standardisiert, so dass auch künftige KollegInnen und vor allem BenutzerInnen des Archivs mit den Arbeiten etwas anzufangen wissen sollten. Zu den Arbeitsbedingungen gibt die Bundesagentur für Arbeit bekannt: „Archivare und Archivarinnen arbeiten eigenverantwortlich und systematisch.“ Als Kompetenzen werden „Interesse an theoretisch-abstrakten sowie verwaltend-organisatorischen Tätigkeiten“ vorausgesetzt.

 Kern ließ bei aller Hingabe an seinen „Beruf“ wohl einige der Kernkompetenzen des Archivars/der Archivarin vermissen. Vielleicht lag dies weniger an seiner Persönlichkeit als an der zunächst mangelnden Anerkennung durch Besoldung. Dabei hatte schon 1777 der uns schon im vergangenen Monat begegnete brandenburgische Regierungsrat Spieß formuliert, wie wichtig eine ausreichende Besoldung für Archivare sei:

„Ueberhaupt aber merke ich noch an, daß alle zur Einrichtung eines Archivs bestellte Personen gut belohnt werden muessen … laesset sich ohnehin nichts beschwerlichers und mühseeligers als die Einrichtung eines Archivs denken, als welche ueberdiß noch mit dem Verlust der Gesundheit sehr genau verknuepft ist.“

Eine Urkunde, und sei sie von den Kollegen noch so gut gemeint, war und ist eben doch nicht genug der Anerkennung…