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Vorbemerkungen

Die folgenden 6 Tabellen sind der Versuch, die verschiedenen Gruppen der widerständigen Menschen vorzustellen, sowohl in organisatorischen Zusammenhängen wie Parteien, Religionsgemeinschaften und anderen von gemeinsamen Interessen geleiteten Gruppen (Tabelle 1: Gruppen), als auch individuell oder in informellen Zusammenhängen Handelnde (Tabelle 2: Haftgründe bzw. Widerstands-Motive). Personen aus der Tabelle 1 sind z.T. auch in Tabelle 2 enthalten: KPD-Mitglieder wurden z.T. der „Vorbereitung des Hochverrats“ beschuldigt, Evangelische waren beteiligt an der Hilfe bzw. Rettung jüdischer Menschen.

Die Formulierung „Widerstand in und aus dem Raum Pforzheim“ beinhaltet auch Personen, die die Nazis aus ihrer Heimat hierher verschleppt hatten, z.T. als „Dienstverpflichtete“, Kriegsgefangene oder ZwangsarbeiterInnen, z.T. als Angehörige der Résistance (Tabelle 3: Herkunftsländer).

Die Berufe der widerständigen Menschen (Tabelle 4: Berufe), soweit ermittelbar, belegen, dass Widerstand in allen Formen nicht von den in der Literatur meist genannten Militärs, Kirchenführern, Intellektuellen, Studierenden…, sondern hauptsächlich von der ArbeiterInnenschaft geleistet wurde. In einer Veröffentlichung der Landeszentrale für politische Bildung 2019 („Praxis des Widerstandes 1933-1945“) werden 19 widerständige Personen genannt: Sieben werden dem Bürgertum zugerechnet, sieben handelten aus religiösen Motiven, gerade mal sechs werden der ArbeiterInnenschaft zugeordnet.

Die Lebenswege der widerständigen Menschen sind meist geprägt von Verfolgung, „Schutzhaft“, „Verurteilung“ und „Inhaftierung“ - unter dem Schein einer vorgeblichen Legalität: Die Nazis sperrten die meisten der widerständigen Personen zuerst im Gefängnis Pforzheim ein, die weiteren Haft-, Leidens- oder Todes-/Ermordungs-Orte sind in Tabelle 5: Haftorte aufgeführt. Bezeichnend ist, dass es über die Haft-Orte von Frauen kaum Untersuchungen gibt. 

Noch wenig wissen wir über das Überleben bzw. Nicht-Überleben der widerständigen Menschen: In Tabelle 6: Nicht-Überlebende sind die Ergebnisse aufgeführt und vermerkt, wo noch Forschungsbedarf besteht.

Keine Tabelle gibt es für einen bislang weitgehend „blinden Fleck“ in der Forschung, er betrifft den Anteil und die Rolle von Frauen im Widerstand gegen den NS. Aus den Tabellen 1 und 2 („Gruppen“ und „Gründe/Motive“) ist ersichtlich, dass Frauen in organisierten politischen Gruppen kaum vorkommen, jedoch bei religiösen Kleingruppen wie den Zeugen Jehovas oder den Adventisten. Bei den individuellen Widerständigen dagegen ist bei den Merkmalen „Arbeitsverweigerung“, „Ungehorsam“ und „verbotener Umgang“ ein hoher Frauenanteil festzustellen.

In der Bundestagsdrucksache 19/11092 vom 25.6.2019 heißt es: „Frauen waren in vielen Widerstandsnetzwerken und -gruppen in großer Anzahl vertreten. Eine nähere Untersuchung der quantitativen Aspekte des Widerstands von Frauensteht jedoch ebenso noch aus wie eine nähere qualitative Untersuchung der einzelnen Widerstandsaktivitäten.“

Nur für Mannheim gibt es eine Untersuchung des Frauen-Anteils am Widerstand gegen den NS, sie nennt 12,1 %, alle anderen Zahlen sind Schätzungen und reichen von 15 % bis 20 %. Aber: Über 27 % der widerständigen Menschen im Raum Pforzheim (274 von 997), die wir bisher gefunden haben, waren Frauen. In Berichten und Akten über widerständige Menschen werden einige Male „Ehefrauen“ erwähnt - ohne Namen. In einem Bericht über Treffen der schon verbotenen Sozialistischen Arbeiter-Partei (SAP) nach 1933 sind die männlichen Teilnehmer mit Vor- und Zunamen genannt, die Frauen werden subsumiert als „Bräute und Frauen" - der männliche Blick. Die Suche nach Nazi-Gegnerinnen ist schwierig, vor allem dann, wenn sie nicht ins Visier der Gestapo gerieten, denn dann stehen sie nicht im Gefängnisbuch und kommen auch nicht in den Akten vor. Dies bedeutet aber nur, dass sie nicht wahrgenommen oder zum Vergessen gebracht wurden.

Allein im Frauengefängnis Gotteszell waren 58 Frauen aus Pforzheim eingesperrt, im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück zwölf, im Arbeitserziehungslager Rudersberg zehn, doch bezeichnenderweise gibt es keine Untersuchung zum Frauengefängnis Gotteszell oder dem AEL Rudersberg. Der Frauen-Anteil am Widerstand gegen den NS wird bislang einfach ignoriert durch Nicht-Wahrnehmung von organisierten und noch mehr von individuellen Widerstands-Handlungen. Der „männliche Blick“ gilt nicht nur für lokale Darstellungen. 

Von den Personen in Raum Pforzheim, die sich dem Arbeitszwang nicht unterwarfen, waren 40 % weiblich, von denen, die Anordnungen der Nazis missachteten, waren fast 50 % weiblich, und von denen, die wegen „verbotenem Umgang“ sanktioniert wurden, waren 60 % weiblich – siehe jeweils Tabelle 2. Ihre Nicht-Wahrnehmung ist sicher auch darin begründet, dass sie nicht nur Frauen, sondern auch Nicht-Deutsche waren, die in der bisherigen Widerstands-Darstellung schlicht weggelassen sind - wider mögliches und/oder besseres Wissen.