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Riehm, Otto (evangelisch, Hilfe für Juden)

Otto Riehm ist am 19.6.1891 in Meersburg geboren. Ab Herbst 1933 ist er Pfarrer in Ispringen. Seine Frau Gertrud - siehe dort - und er haben sieben Kinder.

Otto Riehm schließt sich der „Bekennenden Kirche“ an, dies bringt ihm die Überwachung durch die Gestapo ein, ihre Spitzel überwachen die Predigten und schreiben mit, zumal er sich weigert, den Eid auf Adolf Hitler abzulegen. 1937 wird der „Evangelische Gemeindebote für Ispringen und Ersingen“ unter Vorzensur gestellt, „um staatsfeindliche Angriffe gegen das nationalsozialistische Reich zu verhindern“.

1939 gerät er wie seine Kollegen Karl Rudolf Haas, Otto Riehm, Diebold Schnebel und Hans Karl Diemer - siehe jeweils dort – ins Visier der Nazis Am 7. Juli 1939 wird er vom Sondergericht in Mannheim neben den genannten Pfarrern wegen illegalen Verteilens von Flugblättern der Bekennenden Kirche zugunsten des im Konzentrationslager Sachsenhausen festgehaltenen Martin Niemöller - in der Anklage als Hetzschrift“ bezeichnet, deren Verteilung schon 1938 erfolgt war, zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt. Riehm hatte am Schluss der Bibelstunde darauf hingewiesen, dass jeder Anwesende ein Flugblatt mitnehmen könne. Er entgeht der Gefängnisstrafe nur durch eine Amnestie am 19.9.1939 anlässlich des Kriegsbeginns, des Überfalls der Wehrmacht auf Polen.

Ende April 1944 erhält Otto Riehm in Ispringen von seinem Kollegen Otto Mörike aus Flacht eine geheime Nachricht, die ihm "Gäste" ankündigt, ein Ehepaar aus Berlin, das seit 15 Monaten auf der Flucht ist. Zuerst kommt nur der Mann, Max Krakauer, erschöpft, zermürbt, hoffnungslos, dann bringt Pfarrer Dipper aus Reichenbach an der Fils die Frau, Ines Krakauer, ins Ispringer Pfarrhaus. Das jüdische Ehepaar hat zu diesem Zeitpunkt schon 20 Fluchtstationen in Berlin und 18 Stationen in Württemberg hinter sich, nachdem es am 29. Januar 1943 in Berlin untergetaucht war, um der Verfolgung zu entgehen.

Nach der Rettung über 43 Stationen in Baden-Württemberg schreibt Max Krakauer ein Buch mit dem bezeichnenden Titel "Lichter im Dunkel": "Zwei Wochen weilten wir im Haus des Pfarrers Riehm, zwei Wochen voller Harmonie auch mit den über uns eingeweihten erwachsenen Kindern... Was uns die Besinnung nahm, war die Vorstellung, dass wir auch die Ispringer Pfarrersfamilie in den Abgrund reißen würden, gar nicht zu denken an die endlose Kette unserer früheren Helfer."

Die Nacht vom 6. auf den 7. Mai 1944 verbringt das Ehepaar in einem Kinderheim in Pforzheim. Am 25. April wird das Ehepaar Krakauer in Stetten im Remstal von amerikanischen Truppen befreit. Nach 27 Monaten Flucht und 66 Asylstationen schreibt Max Krakauer: "Wir danken auch all den vielen Menschen, die um unseretwillen Freiheit und Leben aufs Spiel setzten, unseretwegen, die sie vorher nie gesehen noch gekannt...".

Heinrich Riehm, der älteste Sohn des Ehepaars Gertrud und Otto Riehm, kommentierte 2002 das Verhalten seiner Eltern: „Dem Unrecht gegenüber musste widerstanden werden und hinterher groß darüber zu reden war nicht ihre Sache“.

Am 16. Oktober2002 erhielt die Grund- und Hauptschule mit Werkrealschule in Ispringen den Namen Otto-Riehm-Schule.


 

Quellen:

Rückleben S. 358 u. 444;

GLA KA 507 – 12418;

Enzkreis 1995, S. 165 ff.;

Max Krakauer, Lichter im Dunkel, Stuttgart, 1975/1991;

Pforzheimer Kurier 17.3.1994 und 19.10.2002;

Heinrich Riehm Aus dem Leben meines Vaters, Ispringen, 2002 (unveröffentlicht)