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Möglicher Bürgerentscheid nicht an Wahltermin möglich

Stadt Pforzheim sieht rechtliche und organisatorische Hindernisse

Die Stadt Pforzheim sieht keine Möglichkeit mehr, dass ein möglicher Bürgerentscheid über die Kosten für die im Rahmen des Projekts Innenstadtentwicklung-Ost von der Stadt angemieteten Flächen am Termin von Kommunal- und Europawahl am Sonntag, 26. Mai, stattfinden kann. Nachdem die Frage nach dem Termin für einen möglichen Bürgerentscheid bei allen Beteiligten wie auch bei der Öffentlichkeit anhaltend großes Interesse hervorgerufen hatte, hatte Oberbürgermeister Peter Boch die beteiligten Ämter innerhalb der Stadt Pforzheim damit beauftragt, die rechtlichen Rahmenbedingungen sowie die notwendigen organisatorischen Abläufe einer intensiven Prüfung zu unterziehen. „Aus Sicht der Verwaltung ist die Durchführung eines möglichen Bürgerentscheids am Termin der Kommunal- und Europawahl nicht möglich“, sagt Stadtdirektor Bernhard Enderes, Leiter des Personal- und Organisationsamtes und von Oberbürgermeister Boch interimsweise mit der Gesamtkoordination des Projekts Innenstadtentwicklung-Ost beauftragt. Dies habe zum einen die Prüfung der formalen Vorgaben ergeben, wie sie von der für alle Kommunen im Land gültigen Gemeindeordnung Baden-Württemberg sowie vom Wahlrecht gemacht würden. Zum anderen lassen auch die tatsächlichen Abläufe dies nicht mehr zu. Letztlich muss konstatiert werden, dass das Begehren für eine gemeinsame Durchführung am 26. Mai 2019 zu spät eingereicht wurde.

Nach den Regelungen der Gemeindeordnung besteht alleine für die Prüfung der Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens (z.B. Prüfung der Anzahl gültiger Unterschriften, Prüfung der Rechtmäßigkeit der Fragestellung, Prüfung sonstiger Zulässigkeitsvoraussetzungen) eine Frist von bis zu zwei Monaten. Nach einem Beschluss über die Zulässigkeit sieht die Gemeindeordnung einen weiteren Zeitraum von bis zu vier Monaten für die Durchführung des Bürgerentscheids vor, der bei Bedarf sogar noch verlängert werden kann. Zwischen der Einreichung des Bürgerbegehrens am 18. März 2019 und dem Wahltermin am 26. Mai 2019 liegen jedoch gerade einmal 10 Wochen. Hinzu kommt, dass die Prüfung der Unterschriften parallel zur Organisation der Kommunal- und Europawahlen erfolgt. „Die Kolleginnen und Kollegen im Wahlamt arbeiten mit personeller Verstärkung +wirklich mit höchstem Einsatz daran, dass wir bis Ende kommender Woche die Prüfung der Unterschriften abschließen können. Allerdings ist der Prüfungsaufwand aufgrund der Qualität der eingereichten Unterlagen enorm. Es fehlen oft Angaben, die die schnelle und genaue Identifikation der unterschreibenden Personen zulassen. Ein Gemeinderatsbeschluss über die Zulässigkeit noch vor Ostern ist nicht machbar.“, so Enderes weiter. Ohne Gemeinderatsbeschluss vor Ostern können die gesetzlichen Fristen zur Durchführung eines Bürgerentscheids aber keinesfalls mehr eingehalten werden.

Neben den beschriebenen Abläufen stellen sich weitere Probleme. Die vom Rechenzentrumsverbund ITEOS benötigten Daten (z.B. neue Ermittlung der Wahlberechtigten, Erstellung des Wählerverzeichnisses) können zu einem derart späten Zeitpunkt nicht mehr bereitgestellt werden. Hinzu kommen noch organisatorische und technische Anforderungen: Die entsprechenden Listen sowie Stimmzettel und Briefwahlunterlagen müssen erstellt, Wahlbenachrichtigungen versandt, dann die entsprechende Infrastruktur bereitgestellt und schließlich zusätzliches Personal zur Durchführung und Auszählung gefunden bzw. abgestellt werden.

Ganz abgesehen davon stellt sich jedoch ferner die grundsätzliche Frage, ob es ratsam ist, bei einer für die Zukunft Pforzheims derart wichtigen Entscheidung, den Faktor Zeit über alles zu stellen.

Anschaulich wird dies insbesondere bei der gesetzlich vorgeschriebenen Information der Bürgerschaft über das Thema. Die Gemeindeordnung sieht eine Mindestfrist von 20 Tagen zwischen der Information und dem Abstimmungstag vor. Zwischen einem Gemeinderatsbeschluss über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens (vor Ostern, z.B. am 17. April 2019) und einer spätestmöglichen Information der Bürger am 6.Mai 2019 lägen kaum zwei Wochen. Zwei Wochen, in denen gemeinsam mit den Initiatoren des Begehrens zunächst Art und Umfang der Information geklärt werden müsste, um danach auch noch die entsprechende Beiträge zu sammeln. Hierzu gehören insbesondere die Auffassungen der Gemeindeorgane, also Oberbürgermeister und Gemeinderat, wobei hierbei alle im Gemeinderat vertretenen Fraktionen zu Wort kommen. Dieser Umgang mit den Informationspflichten gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, die im Falle eines zulässigen Begehrens ein derart bedeutende Entscheidung fällen würden, wäre unverantwortlich. Für die Stadtverwaltung ist laut Pressesprecher Stefan Baust klar: „Ein Bürgerentscheid ist ein hohes Gut und ein bedeutsames Mittel der Willensbildung in unserer demokratischen Gesellschaft. Die Frage dreht sich nicht darum, ob die Stadt Pforzheim sich gegen einen möglichen Bürgerentscheid stellt, sofern die entsprechenden Rahmenbedingungen für die Zulässigkeit erfüllt sind. In Frage steht lediglich der Termin.“ Und Organisationschef Bernhard Enderes ergänzt: „Wenn die Voraussetzungen eines rechtmäßigen Bürgerbegehrens gegeben sind und der Gemeinderat einen Bürgerentscheid beschließt, wird es unsere Aufgabe sein, eine rechtlich einwandfreie Durchführung eines Bürgerentscheids zu gewährleisten. Dazu ist unerlässlich und von grundsätzlicher Bedeutung, dass die Bürgerinnen und Bürger, in deren Hände die Entscheidung gelegt werden soll, auch umfassend und gründlich informiert werden und sich informieren können. Nicht umsonst hat der Gesetzgeber dafür eine Frist von vier Monaten eingeräumt.“  

Die Vertrauensleute des Bürgerbegehrens wurden über diese Einschätzung ebenso im Laufe des heutigen Freitags informiert wie auch die Mitglieder des Gemeinderats. Damit verbleibt es auch bei der bekannten Planung, im Gemeinderat am 7. Mai 2019 über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens zu entscheiden.