Aus den USA, Südafrika, Russland, China, Mexiko, Israel, Indonesien, Belgien und vielen weiteren Ländern trafen Bewerbungen für den vierten Jahrgang des Stipendiatenprogramms „Designers in Residence“ im EMMA – Kreativzentrum Pforzheim ein, das seit 2016 von der Stadt Pforzheim in Kooperation mit der Hochschule Pforzheim und dem Design Center Baden-Württemberg ausgeschrieben wird. Mehr als 240 junge Designer aus 50 Ländern bewarben sich um einen der drei Stipendienplätze für das Jahr 2019. Vergangenen Freitag wählte die Jury, bestehend aus Schmuckdesignerin Mirjam Hiller, Industriedesigner Tim Storti und Modedesignerin Bettina Weiss, die neuen Stipendiaten aus: Der in China lebende Industriedesigner Sheng-Hung Lee aus Taiwan, die Modedesignerin Ganit Goldstein aus Israel und die in Belgien lebende Schmuckdesignerin Dabin Lee aus Südkorea werden von April bis Juni 2019 im EMMA – Kreativzentrum Pforzheim an ihren eigenen Projekten arbeiten. Die Schmuckdesignerin Dabin Lee lotet die Grenzen zwischen Schmuck und Kunst aus und setzt politische Statements, der Industriedesigner Sheng-Hung Lee möchte die Erfahrungen und Wünsche der Menschen in sinnvolle Gegenstände mit gesellschaftlicher Relevanz übersetzen, und die Modedesignerin Ganit Goldstein vereint traditionelles Handwerk und 3D-Druck.
„Das Stipendiatenprogramm hat sich mittlerweile in der internationalen Designszene herumgesprochen. Die außerordentlich hohe Bewerberzahl und die Vielfalt der Herkunftsländer zeigt die Relevanz dieses Formats und dessen nachhaltiger Verankerung in der Stadt“, sagt Almut Benkert, Fachbereichsleiterin Kreativwirtschaft beim Eigenbetrieb Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim. „Es zahlt sich jetzt aus, dass wir das Projekt langfristig angelegt haben und Pforzheim nachhaltig als Designstandort positionieren können“, so Almut Benkert weiter.
Die Israelin Ganit Goldstein beschäftigt sich in ihren Kollektionen mit der Interaktion zwischen Körper, Kodierung und digitalen Medien. „An der Bewerbung von Ganit Goldstein hat mich besonders ihr Umgang mit filigranen 3D Druck in Kombination mit gebräuchlichem Handwerk überzeugt”, erläutert Bettina Weiss. “Sie möchte herausfinden, wie diese innovative Technologie tragbar eingesetzt werden kann, um passgenaue Kleidung herzustellen, ohne den Fokus auf die Tradition zu vernachlässigen“. Während des Stipendiums möchte Ganit Goldstein ihre Forschungen vertiefen und eine Kollektion aus Kleidungsstücken und Schuhen entwerfen.
Ganit Goldstein, geboren 1992 in Israel, schloss 2018 ihr Mode- und Schmuckstudium an der Bezalel Academy of Arts and Design in Jerusalem mit einem Schwerpunkt auf dem Einsatz von 3D-Druck zur Textilentwicklung für Mode und Schuhe ab. Ihr Interesse liegt dabei an der Schnittstelle zwischen Handwerk und Technologie, sie erforscht, wie 3D-Druck und -Scan in genutzt werden können, um neue Methoden für die Mode- und Schuhkonstruktion zu entwickeln. Sie absolvierte ein Auslandssemester an der Tokyo University of the Arts in Japan. Für ihr zweites Studienjahr erhielt Ganit Goldstein eine Auszeichnung, darüber hinaus nahm sie weltweit an verschiedenen Ausstellungen und Wettbewerben teil, darunter beispielsweise der New York Textile Month, die Hong Kong Fashion Week oder der Art of Fashion Competition des San Francisco Art Museum.
Die Umgebung beobachten, auf die Bedürfnisse der Mitmenschen eingehen und daraus Objekte entwerfen, die direkt mit dem 3D-Drucker produziert werden können: Das ist das Ziel des taiwanesischen Industriedesigners Sheng-Hung Lee. „Die Jury hat sich für Sheng-Hung Lee entschieden, da er einen Design-Ansatz verfolgt, der den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Er sieht die Rolle des Designers nicht als Problemlöser, sondern als aktiver Gestalter unserer Kultur“, so Tim Storti. Dementsprechend möchte Sheng-Hung Lee erforschen, wie die Menschen in seinem Umfeld leben, denken und handeln und dies in dreidimensionale Objekte übersetzen, die eine für den Nutzer sinnvolle Funktion erfüllen. Um diese Objekte für alle zugänglich zu machen, möchte er die Bauanleitungen im Anschluss als Open-Source-Dokumente zur Verfügung stellen. Er entwarf beispielsweise bereits ein System zum natürlichen Schutz von Küstenlinien oder ein Erste-Hilfe-Set, das an Dinge unseres alltäglichen Gebrauchs angelehnt und somit einfach zu bedienen ist.
Sheng-Hung Lee, geboren 1987 in Taiwan, ist Industriedesigner und Product Experience Designer, Maker bei der internationalen Designagentur IDEO und Professor am Shanghai Institute of Visual Arts der Fudan University. Sheng-Hung schloss 2013 sein Studium an der National Cheng Kung University (NCKU), Taiwan, mit einem Doppel-Bachelor-Abschluss in Design und Elektrotechnik ab. Seine Arbeiten wurden mit renommierten Preisen ausgezeichnet, darunter IDEA Gold, Braun-Preis und Core77 Designpreis, Red Dot (Best of the Best), Spark Design Award, Europäischer Produktdesignpreis (Gold) und iF Award. Sein Schwerpunkt liegt auf der Erforschung des Einflusses von Design und Technologie auf die Gesellschaft. Kürzlich wurden seine Arbeiten u Strategie, Service und Benutzererfahrung für den asiatischen Markt in Zusammenarbeit mit der Industrial Designers Society of America z in dem Buch <IDSA Blueprint in Asia> veröffentlicht.
Für den Bereich Schmuckdesign hat sich die Jury für die gebürtige Südkoreanerin Dabin Lee entschieden. Für sie ist Schmuck mehr als tragbarer Luxus, er ist ein Medium für (politische) Statements. „Überzeugt hat mich das Gesamtkonzept mit dem Dabin Lee durch ihren Schmuck ihr sozio-politisches Anliegen in die Öffentlichkeit bringen und etwas bewegen möchte. Ihre Broschen sind von irritierender Wirkung und stellen mit ihrer Größe den direkten Bezug zum Körper in Frage“, erklärt Mirjam Hiller. Mit großen, kraftvollen Objekten testet Dabin Lee die Grenzen zwischen Schmuck und Kunstobjekt und schreit dem Betrachter ihre Standpunkte entgegen. Hierzu schafft sie Objekte aus Metalldrähten mithilfe einer Technik aus der Teppichherstellung, dem „Tufting“. In ihrer letzten Kollektion prangerte sie etwa Tierversuche an. Während der dreimonatigen Stipendienzeit möchte sie sich darüber hinaus mit dem Wert von Besitztümern und mit Umweltverschmutzung durch gedankenlosen Umgang mit Produkten, von der Plastiktüte bis hin zu Kosmetikartikeln, beschäftigen.
Dabin Lee, geboren 1991 in Südkorea, lebt aktuell in Belgien, wo sie ihren Master in Schmuckdesign, Gold- und Silberschmiedekunst an der Royal Academy of Fine Arts, Antwerpen (SEIN) absolvierte. Ihre Arbeiten wurden beispielsweise bereits auf der Munich Jewelry Week, im CODA Museum in Apeldoorn (Niederlande)sowie in der Galerie Beyond in Antwerpen und der Galerie Marzee in Nijmegen, Niederlande, gezeigt. 2015 erhielt sie den Legacy Award for Contemporary Jewelry, 2016 den Arts & Crafts Design Award in Zagreb (Kroatien). Dabin Lee bschäftigt sich mit sozialen Problemen und Alltagsfragen in unserer Gesellschaft. Ihre grellen, humorvollen und farbenfrohen Werke transportieren eine Botschaft und bringen den Betrachter dazu, ihre eigene Wahrnehmung und Meinung zu überdenken.
Die drei Designer werden von April bis Juni 2019 in Pforzheim wohnen und im EMMA – Kreativzentrum Pforzheim an ihren Projekten arbeiten.
Für den Zeitraum des Stipendiums erhalten die Designer eine kostenlose Unterkunft sowie eine monatliche finanzielle Förderung. Darüber hinaus können die Stipendiaten die Infrastruktur und die Angebote der Fakultät für Gestaltung der Hochschule Pforzheim im Rahmen des Stipendiums nutzen. Im Anschluss werden die Ergebnisse der Arbeitsstipendien in einem Katalog dokumentiert und in Ausstellungen im Kreativzentrum (28.6.-7.7.2019) sowie im Design Center Baden-Württemberg, Stuttgart (17.09.-17.10.2019, präsentiert.
Informationen zur Jury
Mirjam Hiller absolvierte eine Ausbildung an der Goldschmiedeschule Pforzheim. Anschließend studierte sie an der Fakultät für Gestaltung der Hochschule Pforzheim und am Nova Scotia College of Art and Design in Halifax, Kanada. Seit 2008 betreibt sie ihre eigene Werkstatt. Ihre Arbeiten werden weltweit in renommierten Galerien gezeigt und sind Teil (privater und) musealer Sammlungen, z. B. im Schmuckmuseum Pforzheim, im CODA Museum in Apeldoorn oder im Los Angeles County Museum of Art. Darüber hinaus erhielt sie mehrere Auszeichnungen, unter anderem den inhorgenta europe Innovationspreis oder den Grassipreis der Galerie Slavik.
Tim Storti, Dipl. Industriedesigner und Gründungspartner der Agentur PEARL CREATIVE, studierte Industrial Design an der Fachhochschule Pforzheim. Er arbeitete zunächst als Produktdesigner bei Phoenix Design in Stuttgart. 2000 gründete er gemeinsam mit Christian Rummel PEARL CREATIVE, eine Agentur für Strategie, Innovation und Markendesign dessen Geschäftsführer und Kreativdirektor er ist. Mit seinem 12-köpfigen Team entwickelt PEARL CREATIVE Zukunftskonzepte und Produkte für namhafte Markenhersteller wie ALFI, BLANCO, BRITA, BOSCH, KÄRCHER, SIEMENS und WMF. Das Studio wurde für seine Arbeit mit über 70 internationalen Designpreisen ausgezeichnet.
Bettina Weiss studierte nach einer Ausbildung zur Schneiderin und einer Tätigkeit im Theater Modedesign an der Hochschule Pforzheim. Während des Studiums arbeitete sie als Technical & Color Designer für adidas Stella Mc Cartney, anschließend war sie für adidas Sport Performance Design tätig. Aktuell ist Bettina Weiss Senior Designer bei adidas Heartbeat Sports/Specialist Sports. Seit 2016 ist sie zudem Lehrbeauftragte für Sport- und Freizeitbekleidung an der Hochschule Pforzheim.
EMMA – Kreativzentrum Pforzheim
Das EMMA – Kreativzentrum Pforzheim ist die zentrale Plattform für Pforzheims Kreative. In einem ehemaligen Jugendstilbad an der Enz gelegen, bietet das Kreativzentrum auf einer Fläche von 3.000 Quadratmeter Werkstatt-und Coworking-Arbeitsplätze, Ateliers, Büros und Ausstellungsflächen. Auch die Stadt selbst zeichnet sich durch eine lebendige Kreativszene mit Schwerpunkt auf den Bereich Design aus. Zahlreiche Hochschulabsolventen, Existenzgründer, Freelancer und Unternehmen aus der Kreativwirtschaft arbeiten in Pforzheim und beleben den Standort.
„Designers in Residence“ wird unterstützt von der Sparkasse Pforzheim Calw, C. Hafner GmbH + Co.KG, dem Rotary Club Pforzheim-Schloßberg, Witzenmann GmbH, La Biosthétique und yellow design gmbh.
Kontakt:
Alexandra Vogt
Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim
Alexandra.vogt(at)ws-pforzheim.de
07231 39 1874