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Ausstellung „Designers in Residence“

Internationales Stipendienprogramm Designers in Residence

Liina Lember
©Winfried Reinhardt
Nga Ching Ko
©Eva Janson
Welmoed Bosch
©Robben Fuhler

Lichtverschmutzung, der Umgang mit Komplimenten in einer anderen Kultur und die Entwicklung einer Schnitttechnik, die auf dem realen Körper basiert – mit diesen drei ganz unterschiedlichen Themen haben sich die diesjährigen Stipendiatinnen von „Designers in Residence“ während ihrer Zeit im EMMA – Kreativzentrum Pforzheim beschäftigt. Drei Monate waren die Modedesignerin Welmoed Bosch aus den Niederlanden, die Schmuckdesignerin Nga Ching Ko aus Honkong und die interdisziplinäre Designerin Liina Lember aus Estland/Großbritannien in Pforzheim zu Gast und haben in den Werkstätten des EMMA und der Hochschule Pforzheim an ihren Projekten gearbeitet. Die Ausstellung im EMMA – Kreativzentrum Pforzheim, die am 1.7.2022 um 19 Uhr eröffnet wird, zeigt die Ergebnisse ihrer Arbeit.

Welmoed Bosch bietet mit ihrer Arbeit „Suiting the Body“ (wörtlich „dem Körper einen (passenden) Anzug geben“) einen alternativen Ansatz zur traditionellen Schneiderei. „Die Mehrheit der aktuellen westlichen Kleidung basiert auf vordefinierten Schnitten, die eine Abstraktion unserer Körper darstellen. Unsere Kleidung bezieht sich nicht auf die physischen, individuellen Merkmale unserer Körper, sondern auf diese anorganischen, abstrakten Formen“, erklärt Welmoed Bosch. Besonders deutlich wird dies für sie bei Herrenanzügen: Dieser war inspiriert durch die Ideale der Aufklärung und Rationalität, die Körperlichkeit ablehnen. Gleichzeitig aber folgt der Schnitt dem Vorbild des idealen männlichen Körpers der klassischen griechischen Bildhauerei. Obwohl man einen Maßanzug speziell auf den Träger zuschneidet, übersetzt dieser den Körper dennoch in ein Kleidungsstück eines standardisierten Systems, was dazu führt, dass wir den Körper als Schablone wahrnehmen. Welmoed Bosch verwendet bei ihren Herrenanzügen eine andere Methode: Indem sie eine Gussform des Körpers fertigt, können die Formen aufgefaltet und flach wie eine Orangenschale ausgebreitet werden. Die so entstandenen Kleidungsstücke betonen Formen, die herkömmliche Anzüge verbergen: Hervorstehende Schulterblätter, eine ausladende Männlichkeit und deutlich definierte Waden.

„Als Designerin ist es nicht so einfach, sich die Zeit nehmen zu können, um Dinge auszuprobieren und die eigene Arbeit zu reflektieren. Durch Designers in Residence hatte ich die Chance, mich in mein Projekt zu vertiefen, ohne darüber nachdenken zu müssen wie ich damit Geld verdienen kann“, freut sich Welmoed Bosch.

Nicht nur im EMMA – Kreativzentrum Pforzheim, sondern auch an ausgewählten Standorten in der Stadt wird durch die Installationen der estnischen Designerin Liina Lember deutlich, was Lichtverschmutzung für uns und unsere Umwelt bedeutet. „Illuminated Stories“ macht auf den alarmierenden Rückgang der Insektenpopulationen und die Auswirkungen der Lichtverschmutzung auf unsere geistige und körperliche Gesundheit aufmerksam und hinterfragt unser Verhältnis zum Licht. Eine Karte navigiert an der Enz entlang zu fünf Standorten, an denen sich die Besucher*innen selbst ein Bild davon machen können, wie das Licht der Straßenlaternen auf den eigenen Körper sowie auf Lebewesen wirkt. In der Ausstellung im EMMA – Kreativzentrum Pforzheim erzählt eine interaktive Installation drei Geschichten über unterschiedliche Lichterfahrungen, die zum Nachdenken anregen. Die Begleitbroschüre „Guide for Navigating

Urban Lightscape“ (etwa: Leitfaden zur Navigation durch die urbane Licht-Landschaft) enthält weitere Informationen zum Thema Lichtverschmutzung. Die Ausstellung gibt Gelegenheit, Erfahrungen zur Wirkung von Licht zu gewinnen und Verständnis für die allgegenwärtige Lichtverschmutzung zu entwickeln. „Ich habe es sehr genossen, dass man hier in Pforzheim sehr einfach mit anderen Kreativschaffenden, Studierenden oder Professor*innen von der Hochschule in Kontakt kommt und sich austauschen kann“, erzählt Liina Lember.

Die Schmuckdesignerin Nga Ching Ko aus Hongkong beschäftigt sich in ihrer Kollektion „Good words“ mit dem Umgang mit Komplimenten, und lässt ihre eigenen Erfahrungen in einer anderen Kultur zu leben mit einfließen: Um als Mitglieder einer Gruppe akzeptiert zu werden, müssen wir darauf achten, was wir sagen. Die Worte „gut“, „cool“ oder „interessant“ sind manchmal, fast immer, leere Worthülsen. Die Leute verwenden ständig schöne Worte, um höflich zu sein und Peinlichkeiten in Gesellschaft anderer zu vermeiden. So mag es enttäuschen und bitter sein, wenn man merkt, dass die guten Worte, die man gesagt bekommen hat, gar nicht wahr sind. Wir, die Menschen, geben uns in manchen Situationen gezwungenermaßen freundlich und verbergen unsere wahren Gedanken, insbesondere in Politik oder Öffentlichkeit, weil kritische oder negative Worte nicht gerne gehört werden und Ehrlichkeit in manchen Fällen Ärger einbringt. Die Arbeiten von Nga Ching Ko zeigen den Druck, dem sie sich in einem gesellschaftlichen Umfeld beugt, indem man „nett“ ist, und das Unbehagen, das sie überfällt, wenn sie falsche Komplimente hört. „Für Schmuckdesigner ist Pforzheim ein guter Standort, man kommt sehr einfach an Maschinen, Werkzeuge und Material und kann sich mit vielen Expertinnen und Experten im Schmuckbereich austauschen. Ich bin sehr froh, dass ich die Zeit des Stipendiums nutzen konnte, um meine Arbeiten weiterzuentwickeln und neue Techniken zu lernen“, so Nga Ching Ko.

Die Vernissage der Ausstellung „Designers in Residence“ findet am 1. Juli 2022 um 19 Uhr im EMMA – Kreativzentrum Pforzheim statt. Nach einer Begrüßung durch Almut Benkert wird Jurymitglied Frederike Kintscher eine Einführung geben, und im Anschluss stellen die Designerinnen ihre Werke vor. Die Ausstellung ist vom 2.-10.07.2022 donnerstags bis samstags von 15-19 Uhr und sonntags von 11-19 Uhr geöffnet.

Die Stipendiatinnen
Welmoed Bosch studierte Modedesign an der Willem de Kooning Academy in Rotterdam. Als Modedesignerin ist sie fasziniert von der Übersetzung der Anatomie in Kleidung. Ihre Arbeitsmethode basiert auf den technischen und haptischen Eigenschaften von Kleidung und multidisziplinärer theoretischer Forschung. Welmoed lebt in Rotterdam in den Niederlanden.

Nga Ching Ko ist in Hongkong geboren und aufgewachsen. 2014 machte sie ihren Abschluss in Schmuckdesign am Hong Kong Design Institute und ein Jahr später einen Bachelor-Abschluss in Schmuck- und Metallverarbeitung an der Sheffield Hallam University. Nach einer dreijährigen Tätigkeit in der Diamantenindustrie absolvierte sie an der Hochschule Trieram Campus Idar-Oberstein den Master in Edelstein- und Schmuckdesign. Für ihre Abschlussarbeit „Inclusion“ wurde sie mit einem Marzee-Absolventenpreis im Rahmen der Marzee Absolventenschau 2021 ausgezeichnet.

Liina Lember ist eine multidisziplinäre Designerin aus Estland, die mit ihrer Arbeit eine Brücke zwischen Wissenschaft, Kunst und Design schlägt. Sie erforscht Themen wie bestehende soziale Normen, Beziehungen zu und Verständnis für nicht-menschliche Nutzer, neue Technologien, Anthropologie, Ökosysteme, Lichtverschmutzung und biologische Vielfalt. Ihr Schwerpunkt liegt auf Experimenten, Forschung und der Hinterfragung des Grenzbereichs zwischen plausiblen Zukunftsszenarios und alternativen Realitäten. Sie schloss 2016 den BA(Hons)-Kurs für Innenarchitektur an der Glasgow School of Art und 2021 den Master in Information Experience Designam Royal College of Art in London ab. Derzeit lebt und arbeitet sie in London.

 

EMMA – Kreativzentrum Pforzheim
Das EMMA – Kreativzentrum Pforzheim ist die zentrale Plattform für Pforzheims Kreative. In einem ehemaligen Jugendstilbad an der Enz gelegen, bietet das Kreativzentrum auf einer Fläche von 3.000 Quadratmeter Werkstatt-und Coworking-Arbeitsplätze, Ateliers, Büros und Ausstellungsflächen. Auch die Stadt selbst zeichnet sich durch eine lebendige Kreativszene mit Schwerpunkt auf den Bereich Design aus. Zahlreiche Hochschulabsolventen, Existenzgründerinnen und-gründer, Freelancer und Unternehmen aus der Kreativwirtschaft arbeiten in Pforzheim und beleben den Standort.

„Designers in Residence“ findet in Kooperation mit der Hochschule Pforzheim und dem Design Center Baden-Württemberg statt und wird unterstützt von der Sparkasse Pforzheim Calw, C. Hafner GmbH + Co.KG, dem Rotary Club Pforzheim-Schloßberg und yellow design gmbh.

 

Kontakt:
Alexandra Vogt
Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim
Alexandra.vogt@ws-pforzheim.de
07231 39 1874