Mit einem neuen Vorschlag will Pforzheims Umweltbürgermeisterin Sibylle Schüssler die Hängepartie um die Fortschreibung des Pforzheimer Lärmaktionsplans auflösen. „Unsere oberste Priorität sollte es sein, einen konsensfähigen Lärmaktionsplan auf den Weg zu bringen. Wegen der bisher vorgesehenen Geschwindigkeitsbeschränkungen ist nach meinem Eindruck zwischenzeitlich eine Pattsituation entstanden, die von uns allen – Verwaltung, Ratsmitgliedern und Fraktionen – sicher nicht gewollt ist“, so Schüssler. „Dies wird dem Thema Lärmschutz und dem damit verbundenen Schutz der Bevölkerung vor übermäßigem Verkehrslärm nicht gerecht.“
Ein Kompromissvorschlag, um den sie das Amt für Umweltschutz gebeten habe, sieht vor, einige Straßen und Abschnitte aus der Geschwindigkeitsbeschränkung auf Tempo 30 herauszunehmen, bei denen aufgrund ihrer Verkehrsbedeutung unter Zurückstellung fachlicher Bedenken tagsüber Tempo 50 vertretbar sein könnte. Der Kompromiss umfasst den Innenstadtring als Herzstück des Verkehrsentwicklungsplans, den westlichen Teil der Friedrich-Ebert-Straße, die Hachelallee, die Heinrich-Wieland-Allee, die Kelterstraße bis zur Kurzen Steig und die Untere Wilferdinger Straße.
Die Kompromissvorschläge würden auf den betroffenen Straßen voraussichtlich zu einer deutlichen Erhöhung des Verkehrsaufkommens und damit auch zu einer höheren Lärmbelastung für die dortige Bevölkerung führen. Die dringende Empfehlung der Stadt Pforzheim wäre daher, diese Straßen im Zuge des Kompromisses mit lärmarmem Asphalt auszustatten. Die Debatte hierüber soll nun zunächst am 9. Dezember im Planungs- und Umweltausschuss erfolgen, ein Beschluss ist für die Gemeinderatssitzung am 15. Dezember vorgesehen.
Der Gemeinderat hatte eine Abstimmung über den Vorschlag der Verwaltung wiederholt vertagt, bis im Rahmen einer Videokonferenz der Fraktionen mit Pforzheims Oberbürgermeister Peter Boch vereinbart wurde, aus der Mitte des Gemeinderats einen Kompromissvorschlag zu erarbeiten. Diesen solle die Verwaltung auf seine Auswirkungen prüfen und für eine Beschlussfassung vorbereiten. Da die Verwaltung bislang keinen abgestimmten Kompromissvorschlag von den Fraktionen erhalten hat, übernimmt Bürgermeisterin Sibylle Schüssler nun erneut die Initiative: „Wir wollten dem Gemeinderat in den Herbst hinein zunächst noch einmal Gelegenheit zur Reflexion geben, unserem bisherigen Vorschlag auf Grundlage der Berechnungen vielleicht doch zuzustimmen. Damit rechne ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr. Ich denke aber, mit diesem Vorschlag sollte es uns möglich sein, die Fortschreibung des Lärmaktionsplans zu verabschieden und damit die entstandene Hängepartie aufzulösen, die in der Bevölkerung durchaus kritisch beobachtet wird.“
Hintergrund
Das Bundesimmissionsschutzgesetz schreibt vor, dass Städte mit über 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern Lärmaktionspläne aufstellen müssen, mit denen Lärmprobleme und Lärmauswirkungen geregelt werden. Die Lärmaktionspläne werden bei bedeutsamen Entwicklungen für die Lärmsituation, grundsätzlich jedoch alle fünf Jahre überprüft und gegebenenfalls überarbeitet.
Nachdem die Lärmkartierung 2017 gezeigt hatte, dass in Pforzheim nahezu 15.000 Personen und damit mehr als 10 Prozent der Bevölkerung gesundheitskritischem oder gesundheitsgefährdendem Lärm ausgesetzt sind, hatte die Stadt Pforzheim in Zusammenarbeit mit dem Büro Modus Consult Maßnahmen zur Verringerung dieser Lärmbelastung untersucht. Hierbei hatte sich herausgestellt, dass im Wesentlichen drei Maßnahmenpakete möglich und sinnvoll sind. Im Rahmen einer breiten Öffentlichkeitsbeteiligung waren rund einhundert Rückmeldungen aus der Bevölkerung und fünfzehn Stellungnahmen von Trägern öffentlicher Belange eingegangen. Die betroffenen Einwohner hatten dabei nahezu einhellig Geschwindigkeitsbeschränkungen und vereinzelt Fahrverbote, Lärmschutzwände, lärmarme Fahrbahnbeläge, Kreisverkehre sowie lärmarme Busse gefordert. Die Träger öffentlicher Belange hatten überwiegend Zustimmung zur Fortschreibung signalisiert und weitere konstruktive Anregungen eingebracht.