Der Förderverein für das Stadtarchiv Pforzheim, die Reuchlin-Gesellschaft Pforzheim und die Löbliche Singergesellschaft von 1501 Pforzheim verleihen gemeinsam in Kooperation mit dem Stadtarchiv Pforzheim alle vier Jahre den Eberhard-Gothein-Preis für herausragende wissenschaftliche Leistungen auf dem Gebiet der Erforschung der Pforzheimer Stadtgeschichte. Den Preis für die Jahre 2016 - 2020 erhält der Historiker und frühere Stadtarchivleiter Hans-Peter Becht für seine 2016 erschienene Publikation „‚Führer befiehl…‘. Das nationalsozialistische Pforzheim 1933–1945“.
Coronabedingt musste die öffentliche Preisverleihung mit Vortrag des Preisträgers abgesagt werden, aber nun wurden der Preisträger und das prämierte Werk offiziell bekanntgegeben. Im Namen der drei Vereinsvorsitzenden, welche die Jury des Preises bilden, begründet Dr. Christoph Mährlein als Obermeister der Löblichen Singergesellschaft die Auswahl des Preisträgers: „Professor Becht hat mit seiner Arbeit ein wichtiges Stück Pforzheimer Stadtgeschichte aufgearbeitet und Licht in einen bisher nur wenig beleuchteten Abschnitt unserer Vergangenheit gebracht. Dies war ein wichtiger Schritt, weil er damit nicht nur die historischen Ereignisse erforscht und dargestellt, sondern auch viele zuvor erschienene stadtgeschichtliche Einzelarbeiten zur NS-Zeit in einen Gesamtkontext und den wissenschaftlichen Diskurs einordnet hat. So fiel uns die Auswahl des diesjährigen Gothein-Preisträgers ausgesprochen leicht.“ Dr. Joachim Becker als Vorsitzender der Reuchlin-Gesellschaft ergänzt: „Wir alle kennen Professor Becht als den profundesten Kenner der Pforzheimer Stadtgeschichte und schätzen die Qualität seiner wissenschaftlichen Arbeiten. Für sein wichtiges Werk über die NS-Zeit in Pforzheim gebührt ihm höchste Anerkennung!“ Kai Adam, Vorsitzender des Stadtarchiv-Fördervereins, verweist auf den wichtigen Beitrag des Buchs für die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit: „Erst die wissenschaftliche Erforschung des Nationalsozialismus in der Geschichte unserer Stadt ermöglicht es uns, die Ereignisse, Strukturen und Zusammenhänge einzuordnen. Dabei ist es wichtig, über das lokale Geschehen hinauszublicken: Pforzheim war keine isolierte Insel innerhalb des nationalsozialistischen Deutschlands, die erst durch britische Bomben am 23. Februar 1945 von den Zeitereignissen berührt wurde. Auch die Deportation und Ermordung der Pforzheimer Juden und das Unrecht, das anderen vom NS-Regime verfolgten Menschen hier in Pforzheim angetan wurde, sind nicht vom Himmel gefallen. In Pforzheim war der Nationalsozialismus real und von Anfang an präsent - im Alltag von Schule, Beruf, Privatleben, Kommunalpolitik und Kultur ebenso wie in den verbrecherischen Gräueltaten - der Ausgrenzung, Verfolgung und Ermordung der jüdischen Pforzheimerinnen und Pforzheimer, der sog. Arisierung ihres Eigentums, der Ausbeutung von Kriegsgefangenen und Deportierten, der Rüstungsproduktion für den Zweiten Weltkrieg und vielem anderen. Dies führt uns Professor Becht nachdrücklich vor Augen.“
Hans-Peter Becht betont, dass ihm als Initiator des Eberhard-Gothein-Preises die Annahme des Preises einiges Kopfzerbrechen bereitet hat. In einem Telefonat mit einem sehr überzeugungsstarken Mitglied der Jury traten die Bedenken gegen die Auszeichnung dann doch in den Hintergrund. Die Annahme des mit der Auszeichnung verbundenen Geldpreises schloss der frühere Archivleiter allerdings aus, den Betrag hat er in deutlich aufgerundeter Höhe mittlerweile bereits einer gemeinnützigen Stiftung zugeleitet, die jährlich einen Preis für den wissenschaftlichen Nachwuchs verleiht.
Auch Bürgermeisterin Sibylle Schüssler gratuliert zur Auszeichnung der im Auftrag der Stadt Pforzheim entstandenen Studie und würdigt die Preisverleihung: „Mein Dank gilt den preisstiftenden Vereinen für ihr stetiges und verdienstvollen Engagement, mit dem sie die Erforschung der Pforzheimer Stadtgeschichte fördern. Ich beglückwünsche Herrn Professor Becht zur hoch verdienten Auszeichnung der ersten umfassenden Gesamtdarstellung der Pforzheimer Geschichte in der NS-Zeit. 2013 hat das Kulturamt die wissenschaftliche Aufarbeitung in Auftrag gegeben, und dass wir hierfür Professor Becht gewinnen konnten, war ein Glücksfall. Schon 2016 konnte das fertige Buch in der Schriftenreihe unseres Stadtarchivs erscheinen! Dabei war uns als Auftraggeber nicht nur die Wissenschaftlichkeit des Werks ein großes Anliegen, sondern auch eine allgemein verständliche Darstellung, die allen Interessierten den Zugang zu Pforzheims dunkelster Vergangenheit eröffnet, was Professor Becht hervorragend gelungen ist. Dass diese Leistung nun auch mit dem Eberhard-Gothein-Preis gewürdigt wird, freut mich sehr.“