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Stadthäuser des Adels: Das Kraichgauer Damenstift in Pforzheim

Ein Karlsruher unternimmt einen Streifzug durch die Pforzheimer Sozialtopographie des 18. und 19. Jahrhunderts

Referent Prof. Dr. Konrad Krimm erläutert das Wappen des Kraichgauer Adeligen Damenstifts (Foto: Stadtarchiv)

Prof. Dr. Konrad Krimm, als Archivar in Karlsruhe und Experte in badischer Landesgeschichte ein profunder Kenner der Geschichte des Kraichgaus, hielt im vollbesetzten Veranstaltungsraum des Stadtarchivs Pforzheim einen spannenden Vortrag zum Kraichgauer Damenstift in Pforzheim.

Mit dem „Kayserlichen Reichsfreyen Adelichen Creichgauischen Fräulein-Stifft“ hat Krimm eine der wenigen Institutionen des Heiligen Römischen Reichs in den Blick genommen, die trotz aller Brüche bis heute Bestand haben. Die Stifterin Amalia Elisabeth von Mentzingen hatte bei der Errichtung das Schicksal adeliger Witwen vor Augen, denen es nach dem Tod ihres Mannes oft nicht mehr möglich war, ein standesgemäßes, würdiges Leben zu führen. Nach dem Willen der Stifterin ist das Damenstift bis heute evangelischen Angehörigen des Adels im Ritterkanton Kraichgau vorbehalten. Aus dieser konfessionellen Festlegung ist auch die Wahl Pforzheims zum ersten Sitz des Stifts erwachsen, denn die kleine Residenzstadt gehörte zum Territorium des evangelischen Markgrafen Karl Wilhelm von Baden-Durlach. Zugleich stand das Damenstift unter der Aufsicht des Reichsritterkantons Kraichgau. Diese geteilte Verpflichtung– die aufgrund widerstreitender Ansprüche Konfliktpotential barg – spiegelt schon das Wappen des Damenstifts, in dem Reichsadler und badische Farben nebeneinanderstehen, belegt mit einem Totenschädel, der den adeligen Witwen als Memento mori, zur Mahnung an die eigene Sterblichkeit, mitgegeben wurde.

Vor allem anhand der Realien wie dem Wappen rekonstruiert Krimm die soziokulturelle Verortung der Stiftsdamen. Besonders aufschlussreich sind die Häuser des Stifts: Das erste Domizil der adeligen Fräulein war eines der größten Adelspalais auf dem Pforzheimer Schlossberg. Mit seinen Gärten und Stallungen war es ein eigenständiger Wirtschaftsbetrieb, den die Stiftsdamen aber nicht selbst betrieben. Auch wenn die Statuten des Stifts seinen Bewohnerinnen einen bescheidenen, christlichen Lebenswandel vorschreiben, pflegten diese offenbar weiterhin einen adeligen Lebensstil: die Kleidung der porträtierten Äbtissinnen war zwar in schwarz-weiß gehalten und hatte die Anmutung einer Ordenstracht, wurde aber mit Schmuck und Details wie aufwändig gefältelter Haube oder blumenbestickter Robe kombiniert. Für den Kirchgang wurden standesgemäß Kutschen genutzt, und im Besitz des Damenstifts befinden sich Spieljetons aus Elfenbein und kostbares Silberbesteck.

Als Ausdruck des Bedürfnisses der Damen, sich in den höchsten Gesellschaftskreisen zu verorten, interpretiert Krimm auch den Umzug in die Leopoldvorstadt 1835. Mit dem Status als Residenzstadt verlor der Pforzheimer Schlossberg die adelige Prägung, die aufsteigenden Wirtschaftseliten bauten repräsentative Villen westlich der Brötzinger Vorstadt. Auch wenn die Quellen in den Archiven zur Motivation der Stiftsdamen für diesen Umzug schweigen, kann man von einem Zusammenhang mit diesen Entwicklungen ausgehen. Auch der Umzug nach Karlsruhe nur 25 Jahre später könnte auf die veränderte Soziotopographie Pforzheims und die sich ankündigende Industrialisierung zurückzuführen sein, denn in unmittelbarer Nachbarschaft zum Damenstift entstanden nun Schmuckfabriken und eine Eisenbahnlinie. Auch die größere Nähe zu höfischer Geselligkeit, wie sie in der Residenzstadt Karlsruhe geführt wurde, mag die Entscheidung beeinflusst haben. An der Langen Straße, gegenüber des Hirschgartens, bezog das Konvent sein neues Domizil in einem herrschaftlichen Stadtpalais, das wiederum zu den stattlichsten Gebäuden der Gegend gehörte. Auch diesen Standort gaben die Stiftsdamen nach wenigen Jahren wieder auf. Ende 1871 entschieden sie sich, das Zusammenleben im Konvent aufzugeben. Noch heute hat das Kraichgauer Adelige Damenstift eine karitative Ausrichtung zugunsten in Not geratener evangelischer Adeliger und führt nach wie vor das von Kaiser Karl VI. verliehene Wappen.

Der anregende und kurzweilige Vortrag fand großen Anklang, die Zuhörerinnen und Zuhörer signalisierten durch zahlreiche Fragen ihr Interesse. Prof. Dr. Konrad Krimm arbeitete von 1974 bis 2011 als Archivar vor allem im Generallandesarchiv Karlsruhe. Seit 2000 leitet er die Arbeitsgemeinschaft für geschichtliche Landeskunde am Oberrhein. Er war maßgeblich beteiligt an der Publikation zum 300-jährigen Jubiläum des Damenstifts, die im Buchhandel erhältlich ist: Konrad Krimm, Heinz Maag, Siegfried Rupp: 300 Jahre Kraichgauer Adeliges Damenstift. Selbstverlag des Kraichgauer Adeligen Damenstifts, Karlsruhe 2018.

Die Veranstaltung wurde abgerundet durch ein Grußwort von Frau Bürgermeisterin Sibylle Schüssler, die das Archiv in Anlehnung an ein Zitat Ernest Hemingways mit einem Eisberg verglich: Wie beim Eisberg, dessen größter Teil unter der Wasseroberfläche verborgen ist, erfüllt das Archiv seine Aufgaben zumeist unbemerkt von der Öffentlichkeit, Veranstaltungen wie diese machen nur einen Bruchteil der Arbeit der Archivarin aus. Mit den archivischen Aufgaben Bestandsbildung und Bewertung, Erschließung und Bestandserhaltung schaffen die Archivarinnen und Archivare die Voraussetzung dafür, dass historisches Wissen erarbeitet und vermittelt werden kann und Veranstaltungen wie dieser Vortrag überhaupt erst möglich werden.

Die Veranstaltung wurde in Kooperation mit der Löblichen Singergesellschaft von 1501 Pforzheim ausgerichtet, die auch beim nächsten Termin der Veranstaltungsreihe Montagabend im Stadtarchiv Pforzheim wieder mitwirkt.