Meine sehr geehrten Damen und Herren des Gemeinderats,
erlauben Sie mir heute ein paar einführende Worte vor Eintritt in die offizielle Tagesordnung:
Eigentlich könnte heute schon der Doppelhaushalt 2019/20 verabschiedet sein und vor uns auf dem Tisch liegen. Wir waren im Dezember schon sehr viel weiter, als wir es jetzt sind. Denn gemeinsam hatten wir während der Haushaltsberatungen einen guten Kompromiss ausgehandelt: Ich selbst habe dafür auf fünf Punkte der geplanten Gewerbesteuersenkung verzichtet. Und auch viele von Ihnen sind über Ihren Schatten gesprungen, haben Abstriche von Ihren eigenen Vorstellungen gemacht und eine Zustimmung zum Haushalt signalisiert.
Und dann ist ein Ereignis eingetreten, das sich niemand von uns gewünscht hat und niemand von uns vorhergesehen hat: Die Entscheidung des Aufsichtsrats der SWP - aus uns bekannten Gründen -, für das Geschäftsjahr 2018 keine Gewinnausschüttung an die Stadt Pforzheim vorzunehmen.
Nun kann man lange darüber diskutieren, ob ich bereits einen Tag später einen Gegenfinanzierungsvorschlag für den Doppelhaushalt hätte präsentieren sollen oder ob es besser gewesen wäre, noch damit zu warten.
Fakt ist aber: Die Haushaltsverbesserungen, über die wir jetzt glücklicherweise verfügen können, sind nicht vom Himmel gefallen. Es gibt sie auch in anderen Großstädten Baden-Württembergs und sie fallen dort überwiegend noch viel umfangreicher aus.
Ich als Oberbürgermeister habe es als meine Verpflichtung angesehen, für den Gewinnausfall schnellstmöglich eine Gegenfinanzierung zu finden und damit auch die Handlungsfähigkeit der Verwaltung unter Beweis zu stellen. Das halte ich auch im Nachhinein für richtig! Allerdings habe ich auch erkennen müssen, dass die Stimmung hier im Gemeinderat vor Weihnachten emotional so aufgeladen war, dass eine Abstimmung über den Doppelhaushalt keinen Sinn gemacht hätte.
Mit unserer Entscheidung, die Abstimmung zu verschieben, wollte ich Luft aus dieser emotional angespannten Situation herausnehmen. Dennoch war ich davon überzeugt, dass der von mir vorgelegte Haushaltsentwurf mit etwas zeitlichem Abstand mehrheitsfähig sein würde.
Mehrheitsfähig, weil wir einen Kompromiss bei der Gewerbesteuer erzielt haben.
Mehrheitsfähig, weil wir uns während der Haushaltsberatungen darauf verständigt haben, Schwerpunkte zu setzen und in bestimmten Bereichen gezielt mehr Geld auszugeben.
Beispielsweise für Radwege, beispielsweise für die Jugendhilfe, beispielsweise für die Musikpflege oder die Sportförderung.
Mehrheitsfähig aber auch, weil sich durch die Haushaltsverbesserungen weitere Spielräume eröffnen, die wir nutzen können, um zusätzlich zehn Millionen Euro im Bäderbereich zu investieren.
Gleichzeitig können wir die Kreditaufnahmen 2019 und 2020 um jeweils vier Millionen Euro auf die Höhe der Tilgung senken.
Allerdings habe ich in den letzten Tagen sehr genau die Berichterstattung in den Medien und gestern auch die Diskussion im Haushaltsstrukturausschuss verfolgt. Mir ist nicht entgangen, wie Sie sich - die einzelnen Fraktionen und Gruppierungen - geäußert haben.
Ich musste leider erkennen, dass es aktuell keine Mehrheit für den von mir vorgelegten Haushaltsentwurf geben wird.
Das ist bitter, weil wir ohne Haushalt, keine neuen Stellen besetzen und keine neuen Projekte beginnen können.
Dennoch macht es keinen Sinn, mit dem Kopf gegen die Wand zu rennen. Eine Ablehnung des Doppelhaushalts wäre eine Niederlage für die gesamte Bürgerschaft.
Deshalb möchte ich Ihnen vorschlagen, heute nicht über den Doppelhaushalt abzustimmen.
Die gestrige Sitzung des Haushaltsstrukturausschusses hat gezeigt, dass wir uns erneut, vielleicht auch in unterschiedlichen Konstellationen zusammensetzen müssen, um nach Lösungen zu suchen und zu ringen.
Dabei wird uns klar sein müssen, dass niemand seine Maximalvorstellungen wird durchsetzen können. Dennoch muss es uns gelingen Brücken zueinander zu bauen. Und das kann uns gelingen, das haben die Haushaltsberatungen gezeigt! Ich möchte Ihnen deshalb vorschlagen, mit den ersten Gesprächen noch diese Woche zu beginnen. Am Ende wird es nicht darum gehen, wer sich gegen wen durchsetzt, sondern gemeinsam zum Wohle unserer Stadtgesellschaft zu handeln.
Vielen Dank!