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Umsetzung der Grundsteuerreform: Gemeinderat muss Hebesätze beschließen

Rathaus kritisiert deutlich: „Wir müssen eine hochgradig ungerechte Reform umsetzen“

Um die Grundsteuerreform in Baden-Württemberg ab 2025 fristgerecht umzusetzen, muss der Gemeinderat die Hebesätze für die Grundsteuer A und B festlegen. Die Vorberatung erfolgt am 10. Dezember im Hauptausschuss, der Beschluss am 17. Dezember. Erster Bürgermeister und Finanzdezernent Dirk Büscher zeigt sich ernüchtert: „Das Land Baden-Württemberg nimmt die politische Brisanz, die sich aus der Reform ergibt, offenbar zu Lasten der Kommunen in Kauf. Mit erheblichen Protesten von eklatant betroffenen Bürgern ist nachvollziehbarerweise zu rechnen, insgesamt kann das Modell In Bezug auf die Minderbelastungen von Gewerbe und die Mehrbelastung von Wohnen als sehr ungerecht und unbefriedigend bezeichnet werden.“ Als Stadt habe man leider keine Klagebefugnis gegen die Reform als Ganzes.

In den letzten Monaten erstellte das Finanzamt auf Basis der Rückmeldungen der Grundstücksbesitzer neue Grundsteuermessbescheide. Diese bilden die Grundlage für die künftigen Hebesätze, die aufkommensneutral sein sollen. Das bedeutet, dass die Gesamteinnahmen gleichbleiben sollen. Für die Grundsteuer A wird ein Jahresvolumen von 65.000 Euro, für die Grundsteuer B von 29,6 Millionen Euro angestrebt.

Um diese Jahresaufkommen zu erreichen, müsste der Gemeinderat den Hebesatz in Pforzheim für die Grundsteuer A bei 517 von Hundert, für die Grundsteuer B bei 464 von Hundert festlegen. Letzterer könnte damit sogar um 86 Punkte gesenkt werden. Trotzdem führt die Reform zu besonderen Belastungsverschiebungen, die durch das modifizierte Bodenwertmodell entstehen, das nur in Baden-Württemberg gilt und von der Stadt Pforzheim deutlich kritisiert wird. Neben den aufkommensneutral gestalteten Hebesätzen stellt die Verwaltung dem Gemeinderat daher beispielhaft zwei weitere Beschlussvarianten für die Grundsteuer B dar: einen halbierten Hebesatz in Höhe von 232 von Hundert, der allerdings auch zu einer Halbierung der prognostizierten Einnahmen in Höhe von 14,8 Millionen Euro pro Jahr führen würde. Die dritte Variante, ein Hebesatz in Höhe von 8 von Hundert, würde die maximal mögliche Belastung für Steuerzahlende auf ein Vierfaches begrenzen. Damit wären jedoch nur noch prognostizierte Einnahmen von circa 500.000 Euro pro Jahr erzielbar, bis 2028 würde sich die Einnahmeausfälle auf insgesamt rund 116 Millionen Euro summieren.

Die vom Gemeinderat verabschiedeten Hebesätze sollen im zweiten Halbjahr 2025 evaluiert und der Rat informiert werden.

Deutliche Kritik aus dem Rathaus

Oberbürgermeister Peter Boch und Bürgermeister Dirk Büscher forderten beim Finanzministerium Änderungen, etwa eine stärkere Senkung der Steuermesszahl für Wohnobjekte. Zu einem von der Rathausspitze gewünschten Termin kam es leider nicht. „Wir können die Kuh nicht vom Eis holen, die uns das Land hingestellt hat“, sagt Dirk Büscher. „Wir sind gezwungen, eine aus unserer Sicht sehr ungerechte Reform rechtskonform umzusetzen. “ Da es nur einen einheitlichen Hebesatz für die Grundsteuer B gibt, sind Differenzierungen zwischen unterschiedlich belasteten Objekten nicht möglich. Dadurch sei man „in der eigenen Handlungsfähigkeit völlig eingeschnürt“.

Alte Grundsteuer verfassungswidrig - Modifiziertes Bodenwertmodell in Baden-Württemberg

Die alte Grundsteuer wurde 2018 als verfassungswidrig eingestuft. Der Bundesgesetzgeber erließ eine Reform, die in Baden-Württemberg als modifiziertes Bodenwertmodell umgesetzt wird. Bewertungsgrundlage ist die Grundstücksfläche und der Bodenrichtwert, nicht der Gebäudewert. Dies führt zu großen Belastungsverschiebungen.

Wie groß fallen die Belastungsverschiebungen aus?

Besitzer von Ein- und Zweifamilienhäusern müssen mit einer Mehrbelastung von durchschnittlich 85 Prozent der bisherigen Steuerzahlung rechnen, Eigentümer unbebauter Grundstücke sogar mit durchschnittlich 342 Prozent. Eigentümer von Wohnungen und Mietwohngrundstücken zahlen im Schnitt 21 Prozent weniger, Gewerbegrundstücke werden um 43 Prozent entlastet. Rund 40 Prozent der Objekte werden mehrbelastet, 95 Prozent davon bis 2.000 Euro pro Jahr. Dabei handelt es sich immer nur um Durchschnittswerte. In der Einzelbetrachtung gibt es in jeder Objektart Gewinner und Verlierer.

Für Wohnobjekte wird die Steuermesszahl um 30 Prozent reduziert, was die Belastungsverschiebungen nicht ausgleicht. Boch und Büscher forderten daher eine stärkere Senkung.

Wie geht es weiter?

Nach Beschluss der Hebesätze versendet die Stadtverwaltung Anfang 2025 die neuen Grundsteuerbescheide. Bürgeranfragen werden über eine zentrale Telefondurchwahl und ein E-Mail-Postfach beantwortet. Informationen zur Reform stehen auf der städtischen Website bereit.

Eigentümerinnen und Eigentümer können abweichende Bodenwerte durch Gutachten nachweisen

Das Landesgrundsteuergesetz eröffnet den Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümern die Möglichkeit, einen niedrigeren Bodenwert ihres Grundstücks durch ein qualifiziertes Gutachten gegenüber dem Finanzamt nachzuweisen, sofern der tatsächliche Wert des Grunds und Bodens um mehr als 30 Prozent abweicht. Die Geschäftsstelle des Gutachterausschusses berät gerne, ob im Einzelfall ein Gutachten zielführend ist.