Drei Monate lang waren Alejandra Alarcón, Elisa Lutteral und Simon Rogalla im Rahmen des Stipendienprogrammes „Designers in Residence“, das die Stadt Pforzheim in Kooperation mit dem Design Center Baden-Württemberg und der Hochschule Pforzheim ausschreibt, im EMMA - Kreativzentrum Pforzheim zu Gast. Um ihre Designprojekte umzusetzen, nutzten sie dabei intensiv die Möglichkeiten der Stadt, arbeiteten in den Werkstätten des EMMA und der Hochschule, tauchten in die lokale Esskultur ein und vernetzten sich mit der Kreativszene in der Stadt. Die Ausstellung im EMMA – Kreativzentrum Pforzheim, die am 28. Juni 2024 um 19 Uhr eröffnet wird, zeigt die Ergebnisse ihrer Arbeit.
„Die drei Monate haben uns gezeigt, wie wertvoll es nicht nur für die Stipendiatinnen und die Stipendiaten ist, die Möglichkeiten der Stadt Pforzheim nutzen zu können und sich mit den Kreativschaffenden vor Ort zu vernetzen, sondern wie auch der Designstandort Pforzheim von dem internationalen Austausch profitiert“, freut sich Almut Benkert, Leiterin des Fachbereichs Kreativwirtschaft beim Eigenbetrieb Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim.
Elisa Lutteral erforscht in ihrem Projekt „Topographies of Delusional Immortality“ die symbolischen Repräsentationen von Macht und die konstruierten Strukturen, welche die patriarchalische Besessenheit der Menschheit von Dauerhaftigkeit und das Aufbegehren gegen die Zeit widerspiegeln. Die Auseinandersetzung damit erfolgt anhand von Denkmälern, Sockeln und Mausoleen - Strukturen, die Stabilität, Beständigkeit und Ausdauer verkörpern. Diese Formen zeugen von den Bemühungen des Menschen, die Kräfte der Natur zu bekämpfen und die Herrschaft über die Zeit zu erlangen. „Bedeutende Monumente werden für ein Leben nach dem Tod geschaffen, die Mächtigen streben nach Unsterblichkeit. Ich möchte hinterfragen, ob die Dinge, die wir besitzen und erschaffen, immer langlebig sein müssen, oder ob wir den Dingen auch erlauben sollten, sich zu zersetzen und aufzulösen“, erklärt Elisa Lutteral. Ihre Objekte erinnern daher an das Streben der antiken Alchemisten nach Unsterblichkeit durch die Verwandlung von unedlen Metallen in Gold. Aus einem anthropozentrischen Blickwinkel verweisen die Skulpturen auf Frankensteins Geschöpfe, die durch elektrischen Strom "zum Leben erweckt" wurden. In diesem Werk symbolisiert das Zusammenspiel von Leinenfasern und Metall eine Umkehrung der traditionellen Materialhierarchien. Durch eine alchemistische Verschmelzung verwandeln sich starre Strukturen in fließende und biegsame Formen. Diese Verwandlung lädt den Betrachter dazu ein, das, was als wertvoll und dauerhaft gilt, neu zu überdenken.
Alejandra Alarcón untersucht in ihrem Projekt „Edible Playscapes: A Hands-On Dining Experience“ Essen als Spiel, um das traditionelle westliche Esserlebnis ohne Besteck positiv zu verändern. „Ich habe mich gefragt: Wann und warum hören die Menschen auf, mit dem Essen zu spielen? Für mich ist das Spielerische eng mit dem Bewusstsein für und dem Kontakt zu unseren Lebensmitteln verknüpft“, erklärt Alejandra Alarcón. Durch die Umgestaltung des Esstisches in eine Spiellandschaft gibt dieses Projekt den Menschen die Möglichkeit, die Lebensmittel mit ihren Händen zu erforschen, frei zu experimentieren und Essenskombinationen zu kreieren, die zum Nachdenken über unsere Essensrituale anregen. Die gemeinsam genutzte Metalloberfläche, die an die Oberflächen einer Industrieküche erinnert, bietet einen Raum, in dem es erlaubt und erwünscht ist, zu kleckern, zu tropfen und zu verschmieren. Das Spiel bietet die Möglichkeit, sich kreativ und bewusst mit dem Thema zu beschäftigen und gleichzeitig die Berührung als eine achtsame und intime Art des Essens zu betonen, die konventionelle soziale und kulturelle Normen in Frage stellt.
Simon Rogalla wurde für sein Projekt "Thread of Time" von seiner Zeit als Pfadfinder inspiriert: Er übersetzt die Prinzipien und Seiltechniken von Pfadfindermöbeln in zeitgenössisches Design, das nur mit Seil, ohne Nägel, Schrauben oder Leim auskommt. Sobald die Knoten gelöst werden, zerfallen die Objekte und ihre frühere Identität wird unkenntlich. „Nachhaltigkeit bedeutet für mich, sich darüber Gedanken zu machen, was mit den Materialien passiert, wenn ein Objekt nicht mehr gebraucht wird oder seine Lebensdauer erreicht hat“, erzählt Simon Rogalla. Das Seil ermöglicht eine kontinuierliche Neugestaltung und Nutzung der Ressourcen, um sicherzustellen, dass Materialien niemals eine endgültige, irreversible Form in einem Objekt erreichen und stattdessen immer wieder neu geformt werden können. Das Projekt betont zum einen die Bedeutung von Material und Verbindungselementen für Nachhaltigkeit, Wiederverwendbarkeit und Recyclingfähigkeit, zum anderen hinterfragt es unser Verständnis von Objekt, Besitz und Zeit.
Die Vernissage der Ausstellung „Designers in Residence“ findet am 28. Juni 2024 um 19 Uhr im EMMA – Kreativzentrum Pforzheim statt. Nach einer Begrüßung durch Almut Benkert und einer Einführung durch Prof. Johann Stockhammer stellen die Designerin und die Designer ihre Werke vor.
Die Ausstellung ist vom 29 Juni bis 14. Juli 2024 donnerstags bis samstags von 14 bis 19 Uhr und sonntags von 11 bis 19 Uhr geöffnet.
Die Stipendiatinnen und Stipendiaten
Alejandra Alarcón aus Mexiko lebt und arbeitet aktuell in Helsinki, Finnland. Die multidisziplinäre Designerin und Künstlerin erforscht die Schnittstelle von Essen und Kunst anhand der sozialen, politischen und kulturellen Dimensionen. Mit einem experimentellen Ansatz schafft sie interaktive Artefakte, essbare Installationen und multisensorische Performances, die unser Verhältnis zum Essen hinterfragen. Alejandra absolvierte den Master in Contemporary Design an der Aalto University in Helsinki. Ihre Arbeiten wurden bereits im Museo Universitario del Chopo sowie auf der Helsinki Design Week und der Dutch Design Week ausgestellt.
Elisa Lutteral stammt aus Argentinien und wohnt und arbeitet derzeit in New York. Sie absolvierte den Master of Fine Arts an der Parsons, New School for Design in New York. Sie war Stipendiatin der Sakat Orimono Residenz in Hirokawa, Fukoka, Japan, 2024 wird sie anschließend an Designers in Residence an der Residenz des Vermont Studio Center in Johnston, Vermont sowie an der NYLAAT Residenz in New York teilnehmen. Die Arbeiten von Elisa Lutteral wurden bereits auf der Son-derschau „Talente“ in München, in der Laguna Mexico in Mexiko Stadt und in der Super Gallery in Wien ausgestellt. Zudem waren ihre Werke in der L Space Gallery, der Picture Theory Gallery und in der PTM Contemporary in New York zu sehen.
Simon Rogallas Zeit bei den Pfadfindern hat ihn nicht nur persönlich geprägt, sondern auch seinen Weg als Designer entscheidend beeinflusst. Er absolvierte seinen Master in Produkt- und Holzgestaltung an der Angewandten Kunst Schneeberg und wechselte nach kurzer Zeit in der Industrie in die Selbständigkeit. In seiner Arbeit spielen neben der Verbindung von verschiedenen Bereichen wie Mode und Möbel oder Architektur und Spiel die bei den Pfadfindern gelernten Prinzipien von Anpassungsfähigkeit und Nachhaltigkeit eine immer wiederkehrende Rolle.
EMMA – Kreativzentrum Pforzheim
Das EMMA – Kreativzentrum Pforzheim ist die zentrale Plattform für Pforzheims Kreative. In einem ehemaligen Jugendstilbad an der Enz gelegen, bietet das Kreativzentrum auf einer Fläche von 3.000 Quadratmeter Werkstatt- und Coworking-Arbeitsplätze, Ateliers, Büros und Ausstellungsflächen. Auch die Stadt selbst zeichnet sich durch eine lebendige Kreativszene mit Schwerpunkt auf den Bereich Design aus. Zahlreiche Hochschulabsolventen, Existenzgründerinnen und-gründer, Freelancer und Unternehmen aus der Kreativwirtschaft arbeiten in Pforzheim und beleben den Standort.
„Designers in Residence“ findet in Kooperation mit der Hochschule Pforzheim und dem Design Center Baden-Württemberg statt und wird unterstützt von der Sparkasse Pforzheim Calw, C. Hafner GmbH + Co.KG, dem Rotary Club Pforzheim-Schloßberg und yellow design gmbh.
Kontakt:
Alexandra Vogt
Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim
Alexandra.vogt@ws-pforzheim.de
07231 39 1874