Das Thema der Energiesicherheit in Folge des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskriegs auf die Ukraine treibt auch die Stadt Pforzheim um. Bereits in den vergangenen Wochen fanden mehrere Gesprächsrunden dazu statt, nicht zuletzt auch auf Ebene der Bürgermeister. Oberbürgermeister Peter Boch hat nun einen neuen Verwaltungsstab Energie ins Leben gerufen, dem wiederum mehrere Unterarbeitsgruppen zuarbeiten. „Wir legen alle vorstellbaren Maßnahmen auf den Tisch. Alles wird geprüft, nichts wird von vorneherein ausgeschlossen“, betont der Oberbürgermeister. „Denkverbote gibt es dabei für die verschiedenen Unterarbeitsgruppen ausdrücklich nicht. Unser Ziel: Wir wollen gut vorbereitet in den Herbst gehen und auf alle denkbaren Szenarien vorbereitet sein.“ Entsprechend weit ist das Themenspektrum, das in den verschiedenen Unterarbeitsgruppen bearbeitet wird. Der neu gegründete Verwaltungsstab ist in dieser Woche erstmals konstituierend zusammenkommen.
Wie lässt sich der Energieverbrauch in den städtischen Liegenschaften reduzieren?
Mit diesem Thema etwa wird sich das Personal- und Organisationsamt gemeinsam mit dem städtischen Gebäudemanagement sowie den jeweiligen Nutzern der städtischen Liegenschaften befassen. Dabei gilt es, auch gesetzliche Rahmenbedingungen, an denen gerade gearbeitet wird, zu beachten. So hat das Bundeswirtschaftsministerium in dieser Woche ein Energiesicherungs-Paket vorgelegt, das als eine von drei Säulen auch Energie-Einsparmaßnahmen enthält. Ein Vorschlag darin ist es, Räume wie etwa Flure, große Hallen, Foyers oder Technikräume in öffentlichen Gebäuden nicht mehr zu beheizen. Die Konzentration liegt im Heizungsbereich, um auf die Heizperiode frühzeitig vorbereitet zu sein.
Die Vorschläge aus dem Energiesicherungs-Paket müssen erst noch in das Energiesicherungsgesetz aufgenommen werden. Nach Angaben des Städtetags möchte das Bundeswirtschaftsministerium dann auf der Grundlage einer Ermächtigung des novellierten Energiesicherungsgesetzes (§ 30 EnSiG) eine Verordnung mit Einsparmaßnahmen auf den Weg zu bringen. Auch die EU-Kommission hat einen Notfallplan vorgelegt, der Sparmaßnahmen für die öffentliche Verwaltung vorschlägt: Demnach könnten öffentliche Gebäude nur noch auf maximal 19 Grad beheizt bzw. auf 25 Grad durch Klimaanlagen gekühlt werden. Generell werden Bürgerinnen und Bürger, wie auch die Unternehmen zum Sparen von Gas aufgerufen.
Ist der Aufbau von Wärmestuben sinnvoll?
Auch diese Frage soll in einer Unterarbeitsgruppe unter Leitung des Katastrophenschutzes behandelt werden. In Pforzheim werden 20 der städtischen Hallen mit Fernwärme versorgt. Da Fernwärme in Pforzheim eine unabhängig einer Gasmangellage stabile Wärmequelle ist, kämen diese Hallen für Wärmestuben in Frage.
„Der Katastrophenschutz hat mehrfach – zuletzt bei der Unterbringung Geflüchteter aus der Ukraine – bewiesen, dass er in kürzester Zeit in der Lage ist, entsprechende Hallenkapazitäten aufzubauen“, betont der Rathauschef. Für den Aufbau von Wärmestuben müssten aber Fragen der Betreuung und Ausstattung geprüft und abgeklärt werden. Auch Fragen des Zugangs, der Aufenthaltsdauer sowie hygienische Fragestellungen rund um ein eventuelles Angebot eines Schlafplatzes wären zu klären. Fernwärme wird in Pforzheim überwiegend durch Verbrennung von Biomasse erzeugt.
Wirtschaftliche Themenstellungen
Die Stadt Pforzheim steht bereits in einem engen Austausch mit den Stadtwerken Pforzheim zu einer möglichen Gasmangellage und den denkbaren Auswirkungen auf Industriekunden. Die Stadtwerke wiederum sind seit etlichen Wochen in enger Abstimmung mit Industriekunden aus der Region. Im „Notfallplan Gas für die Bundesrepublik Deutschland“ stehen insbesondere die privaten Haushalte unter besonderem Schutz. Mit den wirtschaftlichen Themenstellungen soll sich eine Unterarbeitsgruppe befassen, an der unter anderem die Stadtwerke und der Eigenbetrieb Wirtschaft- und Stadtmarketing beteiligt sind.
Soziale Fragestellungen
Im Ergebnis der Besprechungen der letzten Tage ist die Rathausspitze guter Hoffnung, dass für die geschützten privaten Haushalte eine tatsächliche Gasmangellage nicht entstehen wird. Für die Haushalte in Deutschland ist zu erwarten, dass sie über das Gas aus Norwegen und den Niederlanden, unabhängig der Lieferungen aus Russland, versorgt werden können. Größere Sorgen bereiten allerdings steigenden Energiekosten, hier ist die Entwicklung noch nicht abzusehen. Eine Unterarbeitsgruppe unter Leitung des Jugend- und Sozialamts soll sich daher mit diesen Fragestellungen beschäftigen.