Bundesweit wird zwischen dem 6. und 13. März in diesem Jahr zum 70. Mal die Woche der Brüderlichkeit begangen. In Pforzheim hat sich diese Veranstaltung von der ursprünglich christlich-jüdischen Zusammenarbeit zu einer Begegnung von Kulturen und Religionen gewandelt, bei der verschiedene Kirchengemeinden, Religionsgemeinschaften und Kulturinstitutionen ein Programm mitgestalten, das vom Kulturamt der Stadt Pforzheim unter schwierigen Pandemiebedingungen koordiniert wird.
2022 wird die Woche der Brüderlichkeit überschattet vom Angriffskrieg Putins auf die Ukraine, der fassungslos und bestürzt macht. Pforzheims Solidarität gilt den Menschen in der Ukraine. Mit der Mahnwache am 25. Februar haben viele Pforzheimerinnen und Pforzheimer sowie Menschen von außerhalb ein deutliches Zeichen für den Frieden und gegen kriegerische Gewalt gesetzt. „Einen Krieg, wie ihn der russische Präsident gegen die Bevölkerung eines souveränen Nachbarstaates losgetreten hat, haben wir in Europa seit beinahe 80 Jahren nicht miterleben müssen. Diese schreckliche Gewalt und Menschenverachtung kann und darf kein Mittel zur Erreichung von Zielen sein. Mit der Woche der Brüderlichkeit wollen wir schon immer genau dagegen ein Zeichen setzen, für Menschlichkeit und ein friedliches Miteinander“, so Kulturbürgermeisterin Sibylle Schüssler. Gerade in dieser kriegerischen Auseinandersetzung sei es wichtig, die Stimme für Begegnung, Dialog und für den Frieden zu erheben.
Seit Jahrzehnten steht die Woche der Brüderlichkeit in Pforzheim für den interreligiösen und interkulturellen Austausch und für ein friedliches Miteinander aller in der Stadtgesellschaft. Die Woche der Brüderlichkeit ist ein zentraler Bestandteil der Pforzheimer Friedens- und Gedenkkultur, die achtsam macht für das, was die Menschen verbindet: das Eintreten für den Frieden.
Das diesjährige Motto der Woche der Brüderlichkeit lautet „Fair Play - Jeder Mensch zählt“. Es verweist auf ein klares Regelwerk des Sports, wonach es keine Gegner, sondern nur Mitspieler und Partner sowie klare Regeln gibt, auf die sich alle verpflichten. Sie gründen auf der Goldenen Regel, die besagt: „Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem anderen zu.“ Der Zusatz „Jeder Mensch zählt“ ist ein Plädoyer für Inklusion und gegen Ausgrenzung jedweder Art, wie es auch in der Erklärung zum 23. Februar formuliert ist: „Wir lehnen ab, wenn Menschen aufgrund ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer territorialen, ethnischen oder sozialen Zugehörigkeit, ihrer geschlechtlichen oder sexuellen Identität wegen diskriminiert werden.“
Das Programm der Woche der Brüderlichkeit beginnt am kommenden Sonntag, 6. März 2022. Die offizielle Eröffnungsfeier findet digital statt. Bürgermeisterin Sibylle Schüssler spricht zur Begrüßung. Pfarrerin Dorothea Patberg blickt in ihrem Vortrag „70 Jahre Woche der Brüderlichkeit – was wir aus dem Rückblick lernen können“ auf die Geschichte der Woche der Brüderlichkeit zurück. Im Anschluss diskutiert Pastoralreferent Tobias Gfell mit Vertretenden unterschiedlicher Kultusgemeinschaften die Frage: Wie ist die Woche der Brüderlichkeit entstanden?
Bereits im Vorfeld ist am Samstag, 5. März, eine Stolpersteinverlegung der Stolpersteininitiative Pforzheim geplant. Am Sonntagvormittag steht am ebenfalls bundesweiten Tag der Archive die digitale Verleihung des Georg-Simler-Preises für stadtgeschichtliche Arbeiten an Schulen im Stadtarchiv Pforzheim auf dem Programm. Der Preis geht in diesem Jahr an das Hilda-Gymnasium für sein Filmprojekt „Spurensuche“. Am Montag, 7. März, spricht der Antisemitismusbeauftragte der Landesregierung Baden-Württemberg Michael Blume in der Jüdischen Gemeinde zum Thema „Weltliche Bildung aus der Thora – Jeder Mensch zählt“. An den beiden Folgetagen zeigt das Kommunale Kino zwei Filme über zwei ehemalige jüdische Mitbürger aus Pforzheim: Am Dienstag, 8. März, im Fokus steht die Gestalttherapeutin Lore Perls mit anschließender Diskussion mit dem Leiter und Patientinnen und Patienten des bwlv Hauses der seelischen Gesundheit Lore Perls. Der Film am Mittwochabend ist dem Autokonstrukteur sowie Mitbegründer und „Mann hinter Porsche“ Adolf Rosenberger gewidmet, begleitet von Wortbeiträgen von Christoph Rückel, dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Adolf Rosenberger gGmbH, und einem Gespräch mit Regisseur Eberhard Reuß sowie Rosenberger-Großneffe Hartmut Wagner. Am Donnerstag, 10. März, führt der Pforzheimer Reuchlinbeautragte und Kurator des Reuchlinjahres Christoph Timm zu „Stätten jüdischen Lebens“ in der Pforzheimer Innenstadt. Einen Tag der offenen Tür mit einem Vortrag über zwei ihrer wichtigsten Gelehrten bietet die alevitische Gemeinde in Eutingen am Freitagnachmittag, 11. März, an.
Bei einer „Entdeckungsreise in das Museum Johannes Reuchlin“ stellt Christoph Timm am Samstag, 12. März, die rechtzeitig zum Reuchlinjahr wieder hergerichtete Klanginstallation mit Musik zu Reuchlin im Stiftschor der Schloßkirche vor. Mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Franziskuskirche und einem weiteren Filmbeitrag im Kommunalen Kino endet die diesjährige Woche der Brüderlichkeit. Der Film befasst sich unter dem Titel „Geheimmission Tel Aviv – Wie Fußball die Geschichte veränderte“ mit einem legendären Fußballspiel: 2020 jährte sich zum fünfzigsten Mal ein Fußballspiel zwischen Israel und Borussia Mönchengladbach mit überraschenden Auswirkungen. Im Anschluss an den Film diskutieren Vertretende des Rats der Religionen auf dem Podium über den Film und seine Inhalte.