Die Wartbergsiedlung im Nordosten der Stadt Pforzheim feiert 100-jähriges Bestehen und ist damit ein Paradebeispiel für den Siedlungsbau der Weimarer Republik, der grundlegend Neues schuf. Trotz einiger Veränderungen hat die Siedlung bis heute mit ihren Schindelfassaden, Kalksteinsockeln, Sprossenfenstern, Klappläden, Holzzäunen und viel Grün ihren Charme bewahrt und gilt als beliebte Wohngegend. Sie ist längst zu einem stadtbildprägenden Gebiet in Pforzheim geworden und erzählt ein Stück Stadtgeschichte.
Anlässlich dieses Jubiläums hat die Stadt Pforzheim ein Buch veröffentlicht, um dieses besondere Ereignis zu feiern. „Uns ist es ein großes Anliegen, diese besondere Wohnqualität und den einheitlichen Charakter der Wartbergsiedlung zu erhalten, und ich denke, wir können Vieles aus der Wartbergsiedlung auf die heutige
Zeit übertragen“, erläutert Bürgermeisterin Sibylle Schüssler. Mitgewirkt an der Veröffentlichung haben auch Bewohnerinnen und Bewohner der Siedlung, die Texte und Fotomaterial beigesteuert und sich für Interviews zur Verfügung gestellt haben. Sibylle Schüssler dankt darüber hinaus dem Landesamt für Denkmalpflege beim Regierungspräsidium Stuttgart, insbesondere dem Oberkonservator Daniel Keller und Gebietsreferent Dr. Daniel Schulz, für die inhaltliche und finanzielle Unterstützung.
Die Wartbergsiedlung liegt im Nordosten der Stadt Pforzheim am Südhang des namensgebenden Wartbergs. Zur Erbauungszeit der Siedlung lag das 270 Ar große Gelände außerhalb des bisher erschlossenen Stadtgebietes inmitten von Feldern, Äckern und Weinbergen. Bedingt durch die große Wohnungsnot nach dem Ersten Weltkrieg und die geringe private Bautätigkeit wurde mit Hilfe der gemeinnützigen Baugesellschaft Pforzheim-Stadt, der heutigen Pforzheimer Bau und Grund, die Wartbergsiedlung errichtet. Ziel war es, neuen erschwinglichen und lebenswerten Wohnraum für Familien bereit zu stellen und den Weg zum Eigenheim zu eröffnen. Die Wartbergsiedlung ist also ein gutes Beispiel, wie schon vor 100 Jahren durch genossenschaftliche Finanzierung und öffentliche Förderung hochwertiger und gemeinnütziger Wohnungsbau entstehen konnte und gleichzeitig eine neue Qualität des Wohnens für Menschen geschaffen wurde.
Obwohl sich der Wohnungsmarkt in den letzten 100 Jahren stark verändert hat, sind die Ziele gleich geblieben: Die Schaffung von sicherem und bezahlbarem Wohnraum ist die Grundvoraussetzung für eine lebenswerte Stadt. Wie schon damals sind gerade in der heutigen Zeit Baugenossenschaften und Baugesellschaften unverzichtbar und leisten einen wichtigen Beitrag zur Errichtung bezahlbaren Wohnraums.
Bis heute bietet die Wartbergsiedlung mit ihren dicht gereihten Giebelhäusern das Bild eindrucksvoller ästhetischer Geschlossenheit. Der Siedlungsanlage liegt eine Parzellenstruktur für Einzel-, Doppel- und Reihenhäuser zugrunde, mit Grundstücksgrößen zwischen rund 300 und 750 Quadratmetern. In ihrer verdichteten, überwiegend offenen Bauweise zeigt die Wartbergsiedlung typische Züge einer suburbanen Gartenstadt: Gemischte Gruppen von Einzel-, Doppel- und Reihenhäusern wenden sich mit Giebeln oder Zwerchhäusern in zahlreichen Varianten den Straßenräumen zu. Als weiteres zeittypisches Merkmal hervorzuheben sind die großzügig dimensionierten Gärten, die den einzelnen Wohneinheiten zugeordnet sind.
Die Wartbergsiedlung ist seit 1995 durch eine Erhaltungs- und Gestaltungssatzung geschützt, wodurch auch sichergestellt wird, dass die Häuser - sofern noch nicht geschehen - in ihr originales bauzeitliches Erscheinungsbild zurückgeführt wurden. „Unterschiedliche Haustypen, die verschiedenfarbig gestaltet waren, sorgten für diese Gleichförmigkeit – aber nicht Uniformität! Die Siedlung wirkt nicht genormt, und es gab durchaus Raum für eigene Kreativität“, erläutert Daniel Schulz vom Landesdenkmalamt.
Der Stadt Pforzheim ist es nach 100 Jahren ein großes Anliegen, diese außergewöhnliche Wohnsiedlung wieder in das Gedchtnis zu rufen. Das vorliegende Buch soll die baulichen und städtebaulichen Qualitäten der Siedlung aufzeigen und vermitteln – nicht nur den Eigentümern, sondern allen am Wohnungsbau interessierten Bürgerinnen und Bürgern. Es gewährt Einblicke in die architekturgeschichtliche Bedeutung der Wartbergsiedlung als kulturelles Erbe der 1920er Jahre in Pforzheim und in die Weiterentwicklung dieses Wohnquartiers bis in die Gegenwart. Es finden sich darin nicht nur Daten und Fotos aus den Archiven, sondern auch aktuelle Aufnahmen des Fotografen Winfried Reinhardt und die Beiträge und Erinnerungen einzelner Bewohnerinnen und Bewohner. Das Buch kann über den örtlichen Buchhandel oder den Verlag Regionalkultur, Ubstadt-Weiher (Telefon 07251 36703-0, www.verlag-regionalkultur.de) zum Preis von 22,50 Euro bezogen werden.